Bushs Nachlass: Eine Welt voller Krisen

Amerika hat gewählt - und auf den Sieger des Präsidentschafts-Rennens wartet ein Job, um den sich in der normalen Arbeitswelt vermutlich niemand vordrängen würde. Denn für den neuen US-Präsidenten liegt eine mit Problemen und Krisen nur so gespickte Aufgabenliste parat, sei es im In- oder im Ausland.

Chicago/Washington. Die Außenwahrnehmung, mit der der neue amerikanische Präsident zu kämpfen haben wird, ist verheerend: Die USA gelten in Europa und weiten Teilen der arabischen Welt als angeschlagene Supermacht. In der Ära Bush haben selbst treue Alliierte mehr und mehr kritische Distanz zu Washington bezogen - was in der Praxis bedeutet: Hilfestellungen wird es zunächst wohl eher nur zögerlich geben.

Das derzeit innenpolitisch alles dominierende Thema: die düsteren Konjunkturaussichten, verbunden mit steigender Arbeitslosigkeit, einem explodierenden Haushaltsdefizit und der Frage, durch welches Handeln künftig jene Auswüchse im Finanzbereich vermieden werden können, die kürzlich die Wall Street in einen brutalen Abwärtstrend zwangen und Milliardenhilfen auf Steuerzahlerkosten erforderten. US-Präsident Bush hat zwar für den 15. November zu einem Welt-Krisengipfel nach Washington eingeladen, der sich mit dieser Problematik befassen soll. Doch geplant ist dort lediglich, über Grundprinzipien für eine globale Regulierungsschiene zu reden - die Kernentscheidungen muss dann der neue Präsident nach seiner Amtseinführung am 20. Januar 2009 treffen.

Die nächsten großen Herausforderungen stehen zudem ebenfalls schon vor der Haustür: 50 Millionen US-Bürger haben keine Krankenversicherung. Die staatlichen Gesundheitsprogramme Medicare und Medicaid verbrauchen einen immer größeren Teil des Budgets. Die US-Rentenversicherung "Social Security" ist sanierungsbedürftig und alles andere als sicher. Kein Wunder, dass - wie kurz vor der Wahl eine Umfrage ergab - die Mehrheit der Amerikaner trotz des absehbaren politischen Wechsels so pessimistisch in die Zukunft schaut wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Auch außenpolitisch dürften schnelle Erfolge für den neuen Oberkommandierenden rar sein. Auf den 44. Präsidenten warten die Hoffnung der Wähler, das Truppenengagement im Irak schnell zu reduzieren, und ein sich ausweitender Antiterror-Krieg in Afghanistan mit wachsendem Widerstand Pakistans gegen amerikanische Alleingänge im Grenzgebiet. Der Iran verweigert sich weiterhin den Forderungen der internationalen Gemeinschaft im Nuklearkonflikt, wobei die Wahlkampf-Rezepte hier von der Möglichkeit direkter Gespräche bis hin zu einer Fortsetzung der Politik der diplomatischen Härte und Strafmaßnahmen reichten. Unklar ist auch noch, ob sich Nordkorea tatsächlich an die Zusage halten wird, die Atomwaffenproduktion nicht wieder aufzunehmen.

Und dann ist da noch die Frage der Schließung von Guantanamo Bay, nachdem George W. Bush sich entgegen früheren Ankündigungen entschlossen hat, das Problem auszusitzen und seinem Nachfolger in den Schoß zu legen. "Amerikas moralische Führung und Entscheidungskompetenz wird weiter in Frage gestellt werden, unabhängig von der Ankunft einer neuen Regierung," urteilte zu diesen Fragen jüngst eine Arbeitsgruppe der Georgetown-Universität.

Doch George W. Bush will sich offenbar noch nicht damit abfinden, dass seine beiden Amtszeiten von Wählern wie Historikern extrem kritisch gesehen werden - wie eine Zustimmungsquote von derzeit gerade einmal 27 Prozent deutlich macht. Noch bevor der neue Präsident den Amtseid ablegt, werde Bush mit einer PR-Offensive versuchen, seinen Entscheidungen frischen Glanz zu verleihen, heißt es in Washington. So wies kürzlich ein Sprecher des Weißen Hauses darauf hin, dass das Land in diesem Jahr deutlich besser dastehe als bei der Amtsübernahme des Texaners im Januar 2001 - ein überaus gewagtes Urteil.

extra

Amerika hat gewählt - und das Team des Trierischen Volksfreunds hat für Sie auch in der Wahlnacht gearbeitet und über die aktuellen Entwicklungen zur Präsidentschaftswahl in den USA permanent im Internet unter volksfreund.de informiert. Nach der Schließung der Wahllokale stellt die Online-Redaktion für Sie aktuelle Ergebnisse und Berichte über den Verlauf der Wahl und den Wahlsieger im Internet zusammen. Viele Informationen über den Verlauf des Wahlkampfs erhalten Sie zudem unter www.volksfreund.de/uswahl. Begleitet wird das Angebot von aktuellen Videos zur Wahl sowie einem Weblog, in dem TV-Redaktionsmitglieder über ihre Sicht in Sachen Präsidentschaftswahl schreiben. Ausführliche Analysen und Kommentare zur Wahl erhalten Sie im Laufe des Tages auf volksfreund.de sowie in der Donnerstagsausgabe des Trierischen Volksfreunds. Dort nehmen die Redakteure, Korrespondenten und Kommentatoren das Wahlergebnis noch einmal genau unter die Lupe.

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