China in der Zwickmühle

Peking · Sanktionen werden Nordkorea kaum vom Atomkurs abbringen - auch nicht die Kriegsrhetorik von US-Präsident Trump. Ein Umdenken wäre nötig, findet nicht nur Peking.

Peking (dpa) Im Konflikt mit Nordkorea steckt China in der Zwickmühle zwischen den USA und seinem störrischen Nachbarn. Beide Seiten schaukeln sich seit Tagen mit ihrer Kriegsrhetorik hoch. Die Gefahr einer Fehlkalkulation und militärischen Eskalation wächst. China ist verärgert über Pjöngjangs nukleare Ambitionen, aber misstraut auch den USA. Dass auf Donald Trump wenig Verlass ist, demonstriert der US-Präsident aus chinesischer Sicht einmal mehr, indem er ausgerechnet jetzt einen Handelsstreit mit China anzettelt, wo er doch eigentlich seine selbsterklärte "Freundschaft" mit Staats- und Parteichef Xi Jinping am meisten brauchen könnte.
Die Gegensätze sind enorm: Auf der einen Seite ein amerikanischer Präsident, der Unberechenbarkeit und Bluff als staatsmännische Kunst kultiviert. Auf der anderen Chinas Staatschef, der das Spiel durchschaut und sehr langfristig denkt. Trump glaubt, dass allein China die USA aus dem Schlamassel mit Nordkorea retten kann. Indem der US-Präsident im Handel die Schrauben gegenüber Peking anzieht, will er offenbar auch erreichen, dass China den Druck auf Pjöngjang erhöht und die Sanktionen streng umsetzt.
Mit dem Montag verkündeten Importstopp für Kohle, Eisen, Meeresfrüchte, Blei und Erze aus Nordkorea unter den neuen UN-Sanktionen kappt China umgehend wichtige Geldströme.
Aber Xi Jinping ist überzeugt, dass sich Nordkorea auch durch noch so scharfe Sanktionen weiter nicht von seinem Atomkurs abbringen lassen wird. Er sieht den Schlüssel in den Händen der USA, die Nordkorea entgegenkommen und dessen Sicherheitsbedürfnisse ernst nehmen müssten: Im Gegenzug für eine Aussetzung des Atom- und Raketenprogramms sollten die USA und Südkorea ihre gemeinsamen Militärübungen einstellen, um so neue Gespräche zu starten.
"Es ist gefährlich, dass sowohl Nordkorea als auch die USA eine so harte Linie fahren", warnt Zhang Liangui von der Parteihochschule in Peking. "Im Moment hören weder Nordkorea noch die USA auf Chinas Ratschläge." Vergeblich mahnt Peking beide zur Mäßigung. "China ist nicht in der Lage, einen Konflikt zu verhindern", sagt der Experte. "Wir können uns nur auf das Schlimmste vorbereiten und unsere nationalen Interessen so weit wie möglich verteidigen."
China verfolgt drei Prioritäten: "Kein Krieg, keine Instabilität und keine Atomwaffen." In dieser Reihenfolge kommt der Status quo zuerst, die Beseitigung der Atomwaffen nur als langfristiges Ziel. "Stabilität hat weiter Vorrang vor Entnuklearisierung", stellt die US-Denkfabrik Crisis Group fest.
China wolle eher Nordkoreas Verhalten in den Griff bekommen und die Spannungen verringern, als die Atomwaffen zu beseitigen. China sehe sich dadurch auch nicht direkt bedroht - anders als die USA, Südkorea und Japan. China zögert, noch härtere Zwangsmaßnahmen wie eine Unterbrechung der Öllieferungen oder der Zugverbindungen zu ergreifen, die zu einem Kollaps in Nordkorea führen könnten. Ein Zusammenbruch könnte eine unkontrollierbare Situation auslösen und zu Flüchtlingsströmen und einer zwangsweisen Wiedervereinigung beider Koreas unter US-Führung führen.
Das könnte nicht nur US-Truppen an Chinas Grenze bringen, sondern auch die geopolitische Balance in der Region verändern.
"China hat es gerade wirklich schwer, irgendetwas zu tun", sagt Jin Qiangyi von der Yanbian Universität. Dass Nordkorea seine Atomwaffen aufgibt, "ist nicht sehr wahrscheinlich". So stünden die USA vor einer harten Entscheidung. Es gebe nur drei Möglichkeiten: "Erstens, ein Militärschlag gegen Nordkorea." Das würde zumindest Vergeltung gegen Südkorea und Japan auslösen - wenn Nordkorea nicht die Ostküste der USA erreichen könnte.
"Zweite Möglichkeit: Die Spannungen dauern an." Aber auch dann würde es am Ende sehr wahrscheinlich zu einer Eskalation kommen, ist der Experte überzeugt. Als dritte Möglichkeit blieben also nur: "Verhandlungen".

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