Clements Abgang

Nach 38 Jahren Parteizugehörigkeit ist der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement zurückgetreten. Der 68-Jährige erklärte seinen Austritt nach einer Rüge der Bundesschiedskommission.

Berlin/Bonn. Keine Anrede, keine Höflichkeitsfloskeln. "Hiermit erkläre ich mit Wirkung vom heutigen Tag meinen Austritt aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" schrieb Wolfgang Clement dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering gestern früh. Der wollte es zunächst nicht glauben und rief seinen nordrhein-westfälischen Genossen sofort in Bonn an. Doch es war wahr. Müntefering reagierte ausgesprochen schmallippig. "Schade, aber das ist es jetzt auch", sagte der Sauerländer verärgert gegenüber der Presse.

Clement nennt drei Gründe für seinen Austritt



Die Nachricht schlug in der Partei ein wie eine Bombe, weil das laufende Parteiordnungsverfahren gegen Clement erst am Vorabend mit einer Rüge abgeschlossen worden war. Der mildesten Strafe. Alle hatten geglaubt, dieses salomonische Urteil werde die scharfe Auseinandersetzung beenden. Immerhin hatte der heute 68-jährige Ex-Bundeswirtschaftsminister im Januar kaum verklausuliert dazu aufgerufen, in Hessen die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti nicht zu wählen. Ein innerparteiliches Kapitalverbrechen. Vor der Bundesschiedskommission ließ Clement seinen Anwalt, Ex-Innenminister Otto Schily, am Montag noch kraftvoll gegen den von der SPD in Nordrhein-Westfalen dafür verhängten Parteiausschluss argumentieren und Besserung geloben. Müntefering selbst setzte sich dafür ein, es bei einer Rüge zu belassen. Brücken habe man gebaut, meinte Müntefering gestern enttäuscht. Über Nacht entschloss sich Clement offenbar dazu, sie nicht zu betreten. "Ich war völlig überrascht", schilderte der Parteichef. Clement selbst war gestern für Stellungnahmen nicht zu erreichen.

Die Motivsuche geriet schnell ins Psychologische. "Der Mann fühlt sich als Alphatier. So einer lässt sich nicht rügen", meinte einer aus der SPD-Bundestagsfraktion. Clement, heute Aufsichtsrat in mehreren Unternehmen, gab in seinem Austrittsschreiben drei Gründe an. Erstens, dass sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit von der Partei gerügt worden sei, zweitens, dass es keinen klaren Trennungsstrich zur Linkspartei gebe, und drittens, dass die Parteiführung eine Wirtschaftspolitik "treiben" lasse, die auf eine "De-Industrialisierung unseres Landes hinausläuft". Damit meinte Clement vor allem die gleichzeitige Ablehnung von Kohle- wie Atomenergie in einigen Landesverbänden. Aber Clement wäre nicht Clement, wenn er seinen Brief nicht wieder mit einer Provokation geschlossen hätte: Er werde sich an den kommenden Diskussionen "nach Kräften beteiligen — als Sozialdemokrat ohne Parteibuch". 38 Jahre war er Mitglied, sechs Jahre lang stellvertretender Vorsitzender.

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