"Da war offenbar der Herdentrieb stärker"

Von der Immobilienkrise in den USA sind inzwischen auch mehrere Banken in Deutschland betroffen. Die Europäische Zentralbank stellte gestern weitere 47,7 Milliarden Euro bereit, um den Finanzmarkt zu stabilisieren. Der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) warnt jedoch vor Panik.

Berlin. (vet) Hans Eichel spart indes nicht mit Kritik an den deutschen Banken und deren Risiko-Bereitschaft. Mit ihm sprach unser Korrespondent Stefan Vetter.

Herr Eichel, machen Sie sich Sorgen um den Finanz-Standort Deutschland?

Eichel: Nein, das nicht. Aber ich mache mir schon Sorgen darüber, wie relativ leicht Kredite ohne nennenswerte Absicherung vergeben worden sind. Das bekommen nun auch einige Banken in Deutschland zu spüren. Was wir jetzt erleben, ist die abrupte Korrektur einer in der Vergangenheit zu leichtfertigen Kreditvergabe.

Wie kann es sein, dass ein privater Kreditnehmer in Deutschland alle möglichen Sicherheiten erbringen muss, aber sich in den USA um das Thema Bonität offenbar keiner schert?

Eichel: Das ist wirklich ein Problem. Die USA sind nicht bereit, das Basel-II-Abkommen für die vielen kleineren Kreditinstitute zu übernehmen. Ansonsten müssten diese Banken nämlich die Bonität des Schuldners viel intensiver prüfen. Wenn das - wie geschehen - unterbleibt und deutsche Institute diese Risiken übernehmen, dann kann es zum bösen Erwachen kommen. So sind die unverantwortlich hohen Risiken im nordamerikanischen Kreditgeschäft jetzt auf deutsche Banken durchgeschlagen.

Gibt es hierzulande keine Finanzaufsicht, die besonders riskante Geschäfte deutscher Finanzunternehmen unterbinden kann?

Eichel: Doch, die gibt es mit der Finanzaufsichts-Behörde Bafin schon. Aber es hakt vornehmlich daran, dass sich die Geldinstitute selbst über ihre Risiken nicht voll im Klaren gewesen sind. Da war offenbar der Herdentrieb stärker. Wenn der Boom läuft, wollen alle dabei sein, denn solche risikoreichen Kredite versprechen ja auch einen besonders hohen Profit.

Kann eine Bank in Deutschland Pleite gehen?

Eichel: Prinzipiell ja, aber es gibt Sicherungs-Mechanismen in der deutschen Finanzwirtschaft, wie wir gerade erst bei der Mittelstandsbank IKB gesehen haben.

Kleinsparer müssen also nicht um ihre Einlagen fürchten?

Eichel: Richtig. Wenn sie ihre Einlagen bei einer Bank in Deutschland haben, müssen sie nicht um ihre Einlagen fürchten.

Worin besteht der Sinn milliardenschwerer EZB-Transfers in den Geldmarkt?

Eichel: Wegen der negativen Erfahrungen halten viele Banken und Anleger jetzt ihr Geld zurück. Durch die zusätzliche Liquidität, die die Zentralbanken in die Märkte geben, bleibt die Kreditversorgung der Wirtschaft gesichert. Denn man muss wissen: Die Weltwirtschaft ist in gesunder Verfassung. Umso fataler wäre jetzt eine Kreditklemme.

An den internationalen Börsen herrscht Nervosität. Wie sollten sich Kleinanleger jetzt verhalten?

Eichel: Sie sollten nicht in Panik geraten. Der Herdentrieb beim Kauf hochspekulativer Papiere war genau so schädlich wie jetzt die Gegenbewegung nach dem Motto "raus als allen Risiken". Wie gesagt, die Wirtschaft ist in einer robusten Verfassung.

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