Archiv Damit Gesetze überall in Europa gelten - Era in Trier feiert 25. Jubiläum
Trier · Für viele ist die EU mit ihren Institutionen und Behörden weit entfernt. Dabei wird hier vor Ort an der Europäischen Rechtsakademie (Era) in Trier seit 25 Jahren mit an gemeinschaftlichen Vorschriften gebaut.
Trier Ob Olivenölkännchen-Verbot im Restaurant, europäisches Einheitskondom oder Gurkenkrümmung: Häufig wird über die Regulierungswut auf EU-Ebene deftigst geschimpft. Dabei sind viele Kritikpunkte schlicht Legende. In der Tat: Auf EU-Ebene gibt es rund 21 000 Rechtsakte, also Verordnungen und Richtlinien, die die Regeln für das Zusammenleben in Europa zusammenfassen und ordnen.
Allerdings ist Brüssel weit weniger verantwortlich für Frust über zu viel Bürokratie als viele denken: Denn nur weniger als ein Drittel der vom Bundestag verkündeten und verabschiedeten Gesetze gehen auf Initiative der EU zurück. Die meisten Gesetze schlägt die Kommission nur vor, beschlossen werden sie im EU- oder in den nationalen Parlamenten. Und: Immer weniger Bereiche werden europaweit angeglichen, damit wichtige Entscheidungen vor Ort bleiben.
Umso wichtiger ist es, von europäischer Seite aus den größtmöglichen Konsens in den vereinheitlichten Rechtsfragen zu erringen - und dazu trägt die Europäische Rechtsakademie (Era) in Trier erheblich bei. Vor 25 Jahren als internationale Fortbildungs- und Diskussionsstätte für Juristen gegründet, ist sie heute ein Ort, der Rechtspraktiker in ganz Europa fortbildet und in der Diskussion neue Impulse für neue Gesetze innerhalb der Europäischen Union setzt.
Mehr als 125 000 Anwälte haben so bislang an mehr als 2200 Fortbildungsveranstaltungen der Era in Trier und Europa teilgenommen. "Unser Rechtssystem ist der Garant für unsere Demokratie und für unsere Grundrechte", sagt Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission zum Jubiläum. Und so sei die Era in Trier unschätzbar für "das Weiterentwickeln, das Verständnis und die Anwendung des Europäischen Rechts in der gesamten EU".
Zu Beginn, im Jahr 1992, sieht man vielerorts kaum die Notwendigkeit für eine Einrichtung wie die Trierer Era - dabei schafft gerade die Vollendung des europäischen Binnenmarktes die Notwendigkeit für Anwälte und Richter, die Regeln des freien Warenverkehrs zu lernen. So entsteht auf Initiative des damaligen rheinland-pfälzischen Justizministers Peter Caesar und des damaligen Luxemburger Premiers Jacques Santer (heute Präsident des Era-Stiftungsrats) gleich in der Nähe des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg die Europäische Rechtsakademie als öffentliche Stiftung in Trier. Die Zahl der Stifter hat sich vom Land, dem Land Luxemburg, der Stadt Trier und dem Verein zur Förderung der Era inzwischen um 26 der 28 EU-Mitglieder erhöht. Lediglich Belgien und Estland fehlen noch.
"Anfangs wurden wir sowohl aus Bonn wie aus Berlin belächelt", sagt Era-Direktor Wolfgang Heusel. "Doch die Era hat von den Binnenmarktregeln profitiert und auch davon, dass das Europarecht mit den Maastrichter Verträgen immer relevanter geworden ist." Folglich wird die Einrichtung nach 1990 zum ersten Anlaufpunkt auch für neue EU-Mitglieder. "Die EU-Erweiterungen sind schneller möglich gewesen, weil sich viele Juristen darauf über die Era in Trier vorbereitet haben", ist Heusel überzeugt. "Wir können ein wenig stolz darauf sein, dass wir mit unseren rund 150 Veranstaltungen im Jahr in Trier und vielen Ländern die Richter der EU-Mitgliedsstaaten zu Hütern des Wettbewerbsrechts gemacht haben", freut er sich mit seinem 75 Mann starken Team. Dass EU-Mitglieder wie Polen, Ungarn oder Großbritannien derzeit nationalistische Töne anschlagen, stößt dem Era-Chef bitter auf: "Europa zu bauen ist nicht einfach", gesteht er.
Ob Geldwäsche, Handelsabkommen wie TTIP und Ceta, europäische Staatswanwaltschaft oder gemeinsame Asyl- und Einwanderungpolitik - die Tätigkeitsfelder gehen der Era auch in Zukunft nicht aus. "Wir sind Mittler zwischen Theorie und Praxis", erklärt der Era-Chef. Was die Politik beschließe, müsse später in Recht umgesetzt werden. Auch wenn die Öffentlichkeit nicht immer viel davon mitbekommt: Jährlich lernen immerhin rund 7000 Juristen aus 54 Ländern an der Era bei Tagungen, Seminaren und über die E-Learning-Plattform.
Zur Info: Das Olivenölkännchen-Verbot in Gaststätten wurde nach Protesten der EU-Mitglieder doch nicht umgesetzt; für Kondome gelten in der EU lediglich Mindestlängen-Vorgaben und keine Regeln für die Größe; und die Gurkenverordnung ist zwar wegen ihres schlechten Images 2009 aufgehoben worden, sie wird allerdings in der Praxis immer noch eingehalten - weil's für viele Spediteure und Supermärkte den Transport und Verkauf erleichtert.
Während des gesamten Jahres feiert die Era ihren Geburtstag mit zahlreichen Veranstaltungen von Brüssel über Helsinki und Warschau bis nach Trier. Heute, 6. April, referiert die Bundesverfassungsrichterin Christine Langenfeld in der Era Trier zur "Chronik der Flüchtlingskrise" um 18.30 Uhr. Die Teilnahme ist kostenfrei und für alle offen.
Darüber hinaus eröffnet in Trier im September die Era-Jubiläumskunstausstellung, am 14. Oktober gibt es ein Konzert mit dem deutschen Juristenorchester, und am 19. und 20. Oktober findet in Trier der Era-Jubiläumskongress statt.