"Dann habe ich zugezogen"

Es hätte das perfekte Verbrechen sein können. Wäre eine heute 41-jährige Frau nicht vor drei Jahren zur Polizei gegangen, um die Erdrosselung ihres Vaters zu gestehen - die Gewalttat aus dem Jahr 1999 wäre wohl nie aufgeklärt worden. Es gab eine Leiche, aber den getöteten Rentner vermisste niemand. Seit gestern müssen sich die Tochter und ihre Mutter in Trier vor Gericht verantworten.

Trier. Es ist ein befremdliches Bild, das sich am Dienstagmorgen im Saal 70 des Trierer Landgerichts bietet: Auf der Anklagebank sitzen Mutter und Tochter nur wenige Meter voneinander entfernt. Doch die beiden Frauen würdigen sich keines Blickes. Den ganzen Prozesstag über schauen sie sich nicht einmal in die Augen, vermeiden jeglichen Kontakt. Ihre familiäre Beziehung scheint zerrüttet, seit die 41-jährige Tochter Manuela vor drei Jahren ein schreckliches Geheimnis preisgegeben hat, das die beiden Frauen zuvor sechs Jahre eisern für sich behalten hatten - die Tötung des Vaters und Ehemannes.Es ist ein Verbrechen, das das Zeug dazu hat, in die deutsche Kriminalgeschichte einzugehen. Ein Mann wird getötet, seine Leiche versteckt. Und obwohl das Skelett zwei Jahre später in Südfrankreich gefunden wird, kommt niemand darauf, dass es sich um die Überreste des Rentners Karl-Heinz M. aus dem nordrhein-westfälischen Overath handeln könnte. Wie auch?! Der 61-jährige gebürtige Breslauer ist schließlich offiziell noch am leben, bezieht seit seiner Pensionierung 1998 Rente - 1560 Euro monatlich - , ist seitdem ein paar Mal umgezogen, was den zuständigen Behörden auch schriftlich immer brav mitgeteilt wurde.Doch es war nicht Karl-Heinz M., der die Einwohnermeldeämter oder den Rentenversicherungsträger darüber informierte, sondern seine Ehefrau Gertrud. Nach den Ermittlungen der Trierer Staatsanwaltschaft fälschte die 58-Jährige jahrelang die Unterschrift ihres toten Mannes und kassierte so weit über 100 000 Euro. Das wäre Betrug und Urkundenfälschung. Doch der andere Vorwurf von Staatsanwalt Eric Samel - Totschlag und versuchter Mord - wiegt weit schwerer.Mehr oder weniger gemeinsam sollen die beiden Frauen den angeblich tyrannischen Ehemann und Vater im Frühjahr 1999 getötet haben.Starkes Beruhigungsmittel im Tee

"Es muss etwas passieren, so geht das nicht weiter", soll Gertrud M. ihrer Tochter eines Tages gesagt haben, nachdem der Mann sie wieder heftig geschlagen habe. Tagelang soll sie dem 61-Jährigen ein starkes Beruhigungsmittel in den Tee gegeben haben, "bis mein Vater irgendwann nicht mehr aufstehen konnte und schließlich bewusstlos im Bett lag", berichtet die Tochter. "Da habe ich mich entschlossen, seinem Leben ein Ende zu setzen", sagt sie mit stockender Stimme. Manuela M. nahm aus der Garage ein orangefarbenes Nylonseil, ging ins Schlafzimmer der Eltern, wo ihr Vater im Bett lag, und legte dem Bewusstlosen das Seil um den Hals. "Dann habe ich zugezogen", sagt sie, und: "Es war schwierig, hat ein paar Sekunden gedauert."Anschließend habe sie ihre Mutter geholt. "Sie war erschrocken, hat mir aber keine Vorwürfe gemacht", erinnert sich die Tochter. Sie hätten überlegt, was sie mit dem Leichnam machen sollten. Am nächsten Morgen fuhren die beiden Frauen mit dem ahnungslosen Sohn der Familie auf der Rückbank und dem Toten im Kofferraum nach Südfrankreich. In einem abgelegenen Waldgebiet in der Provence versteckten sie den Leichnam unter Reisig und Ästen und fuhren am nächsten Tag wieder zurück nach Ove rath. "Fragenden Nachbarn oder Bekannten wollten wir sagen, dass der Vater ein Haus in Frankreich gekauft hätte und wir bald folgen würden", erzählt die Tochter.Ein paar Monate später zog die Familie vorübergehend nach Frankreich. Erst seit drei Jahren lebt Gertrud M. wieder in Deutschland - in einem kleinen Eifeldorf in der Nähe von Bitburg. Manuela, mittlerweile selbst Mutter einer kleinen Tochter, ist in ständiger psychiatrischer Behandlung - "das hat mit der Tat zu tun", sagt die unsicher wirkende Angeklagte. Ihr vier Jahre jüngerer Bruder ist in einer Behinderteneinrichtung untergebracht, die vorher von der Mutter betreute kleine Tochter ist in einem Kinderheim. Für ihr Geständnis vor drei Jahren hat die 41-jährige Heilpraktikerin eine einfache Erklärung: "Ich dachte, danach geht es mir besser."

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