"Das Bewusstsein muss sich ändern"

TRIER. Das schönste Sommerwetter wechselt sichderzeit mit heftigen Stürmen und Gewittern ab. Ein einmaliges Phänomen oder eine Folge der weltweiten Klimaveränderungen? Darüber sprachen wir mit dem international renommiertenKlimaforscher ProfessorMojib Latif.

 Verwüstet: Schlausenbach in der Eifel nach dem Tornado vom Dienstagabend.Foto: Manfred Reuter

Verwüstet: Schlausenbach in der Eifel nach dem Tornado vom Dienstagabend.Foto: Manfred Reuter

Deutschlandweit und auch in der Region Trier gab dieser Tage mehrfach hohe Schäden durch Gewitter, teils sogar mit Toten. Besonders ältere Leute haben den Eindruck, dass es so heftige Unwetter früher nicht gegeben hat. Ist das so, sind die Gewitter schlimmer geworden? Latif: Sie sind zumindest häufiger als früher. Und durch die zunehmende Besiedelung und auch die schwindende Ehrfurcht vor dem Wetter haben sie stärkere Auswirkungen. Obwohl immer wieder gewarnt wird vor solchen Unwettern, habe ich das Gefühl, dass das bei den Leuten zum einen Ohr reingeht und zum anderen wieder rauskommt. Veranstaltungen zum Beispiel werden nie abgesagt. Wir müssen wieder dahin kommen, dass die Leute solche Warnungen ernst nehmen. Sie sprechen von einer Häufung der Unwetter. Sehen Sie einen Zusammenhang mit den weltweiten Klimaveränderungen? Latif: Ja. Langfristig schon. Man kann natürlich nie einzelne Ereignisse rausnehmen. Ich vergleiche das immer mit einem gezinkten Würfel: Nach einem Mal Würfeln können Sie nicht sagen: O.k., eine Sechs, der Würfel ist gezinkt. Sie müssen halt oft würfeln, um zu sehen, dass der Würfel gezinkt ist. So ist das eben auch mit dem Unwetter. Sie können nicht sagen: Dieses eine Unwetter ist Folge der Klimaveränderung. Sondern man muss das langfristig betrachten und sich fragen: Sind solche Situationen heute häufiger als früher? Und da sieht man ziemlich deutlich, dass es heute mindestens doppelt so häufig ist wie vor 100 Jahren. Gleichzeitig gibt es hier an der Mosel und auch an den Nebenflüssen dem Anschein nach immer häufigere Hochwasser. Hängt auch das mit den Klimaveränderungen zusammen? Latif: Das ist ein ähnliches Phänomen. Da muss man aber unterscheiden zwischen Winter und Sommer. Im Sommer sind es eben diese heftigen Gewitter, die zu Hochwasser führen. In der kalten Jahreszeit sind es dagegen im Allgemeinen die typischen Winterniederschläge, gepaart mit der Schneeschmelze, die die Hochwasser bringen. Nach unseren Simulationen werden beide Arten von Hochwasser in Zukunft häufiger vorkommen und auch intensiver werden. Sie haben den Zeitraum von 100 Jahren angesprochen. Sind die Klimaveränderungen in dieser Zeit durch den Menschen verursacht worden? Latif: Teils, teils. Der Großteil - wir gehen bei der Erwärmung von etwa zwei Dritteln aus - ist auf den Menschen zurück zu führen. Wir nehmen als Indikator für den Treibhaus-Effekt die globale Erwärmung der Erde. Das waren in den vergangenen 100 Jahren etwa 0,7 Grad Celsius, und davon waren höchstens 0,2 Grad auf natürliche Einflüsse zurückzuführen. Wie geht das weiter in den nächsten 50 oder 100 Jahren? Latif: Wir werden innerhalb der nächsten 100 Jahre noch eine Erderwärmung von mindestens ein bis 1,5 Grad haben. Egal was wir tun. Das können wir gar nicht mehr stoppen, weil das System so träge reagiert und wir schon so viele Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen haben. Wenn wir so wie bisher weitermachen und Jahr für Jahr den Ausstoß der Treibhausgase weiter steigern, dann können es auch drei bis vier Grad sein. Und das sind Welten, das kann man sich gar nicht vorstellen. Von der letzten Eiszeit bis heute waren es ungefähr vier Grad. Wofür die Natur 20 000 Jahre gebraucht hat, das würden wir in 100 Jahren machen. Wir müssen also in Zukunft mit mehr extremen Wetterereignissen rechnen? Latif: Man weiß es natürlich nicht sicher, weil es so eine Situation noch nicht gegeben hat. Wir sind angewiesen auf unsere Modellrechnungen. Und die sagen eben, dass wir deutlich höhere Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von Wetter-Extremen haben. Kann sich der Mensch irgendwie darauf einstellen? Latif: Wir müssen es, weil wir es ja gar nicht mehr stoppen können. Wichtig ist vor allem, dass man das Bewusstsein ändert: Viele der Toten dieser Tage hätten nicht sterben müssen, wenn man die Unwetter-Warnungen ernst genommen hätte. Der Klima-Gipfel von Kyoto hat nach langem Gezerre eine Reduzierung der Treibhausgase beschlossen. Werden die Beschlüsse irgendwelche Auswirkungen haben? Latif: Nein. Das ist wohl eher symbolisch. Da redet man ja von einer Reduzierung von fünf bis acht Prozent im Mittel. Das ist zwar ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir müsseninnerhalb der nächsten 100 Jahre beim Ausstoß auf Null kommen. Das ist die Marschroute, da müssen wir hin. Das Interview führte unser Redakteur Michael Schmitz.

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