Das Feilschen beginnt

BERLIN. Mammutaufgabe", "sehr großes Rad", "Titan" – an Superlativen fehlte es nicht, als gestern in Bundesrat und Bundestag mit der Bildung einer gemeinsamen Kommission der Startschuss für die nächste Stufe der Föderalismusreform gegeben wurde.

Dabei hatte man schon den ersten Teil, der in diesem Sommer verabschiedet wurde und der die Kompetenzverteilung betraf, als "Mutter aller Reformen" bezeichnet. Aber jetzt geht es um ungleich Bedeutenderes: Geld. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) machte den versammelten Regierungschefs im Bundesrat nichts vor: "Jeder hat bei den Beratungen doch den Taschenrechner unter dem Tisch", sagte er. Oettinger wird einer der beiden Vorsitzenden der 32-köpfigen Kommission, für den Bund ist es SPD-Fraktionschef Peter Struck. Die Hälfte der Mitglieder kommt aus den 16 Ländern, die andere aus Bundestag und Kabinett. 2009 sollen Ergebnisse vorliegen. Schon die erste Föderalismusreform hatte erhebliche Folgen für die Bürger, wie sich beim Ladenschluss und beim Nichtraucherschutz zeigte. Die zweite könnte sich trotz so trockener Themen wie Länderfinanzausgleich, Steuerhoheit und Stabilitätsregeln genauso direkt auswirken. Es geht darum, ob künftig weniger oder mehr Geld in ein Land fließt. Vier reiche "Geberländer" sorgen derzeit dafür, dass auch in den armen "Nehmerländern" genug Kindergärten, Schulen und Kultur existieren. Das Problem: Die Geber haben nach diesem Finanzausgleich oft kaum mehr in der Kasse als die Nehmer. Deshalb wird darüber diskutiert. "Am Ende muss mehr Geld im Süden bleiben", forderte CSU-Generalsekretär Markus Söder schon vor Monaten und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber sprach am Dienstag im Landtag von "Grenzen bei der Subventionierung ärmerer Länder". Die Nehmer aber wollen nicht weniger bekommen. Die Reform dürfe "keine Sieger und Verlierer" produzieren, meinte Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen. Kommissionschef Oettinger geht entsprechend vorsichtig an das Thema heran. Strukturschwache Länder brauchten weiter Unterstützung. Aber es müsse Anreize auch für die Starken geben. Für Finanzminister Peer Steinbrück ist die Begrenzung der Verschuldung "das oberste Reformziel". Elf von 16 Ländern haben keinen verfassungsmäßigen Etat, drei, Berlin, Bremen und das Saarland, glauben sich sogar in einer Haushaltsnotlage. Struck forderte im Bundestag einen Stabilitätspakt wie beim Euro, "mit festgelegten Verschuldungsgrenzen". Um die konkrete Ausgestaltung gibt es heftigen Streit. Ein Vorschlag aus Steinbrücks Ministerium für ein Verschuldungsverbot war bei den Ländern als Eingriff in ihre Hoheit strikt abgelehnt worden. Oettinger sprach gestern lediglich von "Überwachungsinstrumenten", die es geben müsse. Dritter Schwerpunkt ist die Diskussion darüber, welche Steuern die Länder direkt kassieren dürfen und welcher der Bund. Der Grundsatz, wer die Musik bestellt, der zahlt auch, soll stärker zur Geltung kommen. Unterschwellig geht es in der Kommission zudem um das heikle Thema Länderneugliederung. "Föderalismusreform III" nannte sie Struck gestern. Aber das, so der SPD-Fraktionschef, sei "Zukunftsmusik".

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