Das "Gehirn" des Präsidenten geht

US-Präsident George W. Bush verliert zum Ende des Monats den Architekten seiner beiden Wahlsiege und engsten politischen Wegbegleiter. Karl Rove (56) wird das Weiße Haus zum 31. August verlassen und sich in Texas zur Ruhe setzen.

Washington. (spa) Vor der Sommerpause nahm Chief of Staff John Bolton seine Kollegen zur Seite, um mit ihnen ein ernstes Gespräch zu führen. Wer am 1. September wieder ins Weiße Haus zurückkehre, von dem erwarte er, bis zum Ende der zweiten Amtszeit Bushs durchzuhalten. Das war der letzte Auslöser für Rove, eine Entscheidung zu treffen, über die er mit Vertrauten schon seit einem Jahr beraten hatte: den richtigen Zeitpunkt zu finden, die Administration zu verlassen.

Dass der starke Mann hinter den Kulissen zu seinen eigenen Konditionen geht und keineswegs mit dem Gefühl, ein sinkendes Schiff zu verlassen, machte sein gemeinsamer Auftritt mit dem Präsidenten auf dem Südrasen vor dem Weißen Haus deutlich. Die beiden Männer bleiben auch nach 14 gemeinsamen Jahren in der politischen Arena einander zugewandt. Bei der anstehenden Schlacht mit dem Kongress um die Irak-Politik wird sich Bush nicht mehr auf den Rat seines "Gehirns" verlassen können. "Natürlich ist das für uns ein ganz großer Verlust," erklärt die Sprecherin des Weißen Hauses, Dana M. Perino. "Er ist ein großartiger Kollege, ein guter Freund und ein brillanter Denker. Er wird sehr vermisst werden."

Nicht bei den Demokraten, die ihn zum ultimativen Feindbild stilisiert haben. Zuletzt zitierten sie ihn vor den Kongress, um etwas über seine Rolle bei der Entlassung einiger Staatsanwälte zu erfahren. Unter Berufung auf das exekutive Privileg des Präsidenten tauchte Rove nicht bei der Anhörung auf. Dass er wegen der Untersuchungen der Demokraten aufhört, gilt indes als wenig wahrscheinlich. Dafür hat "Boy Genius," wie Bush seinen Berater respektvoll nennt, zu starke Nerven.

Unbeschadet überstand er die strafrechtlichen Ermittlungen in der CIA-Niger-Affäre, die zum Verrat der Identität der Agentin Valerie Plame führte. Ein typischer Fall, der das Wirken der "grauen Eminenz" im Weißen Haus gut beschreibt. Überall finden sich seine Fingerabdrücke, doch nachweisen lässt sich dem Herrn mit dem schütteren Haar und Doppelkinn wenig. Er ist ein moderner Machiavelli, der es versteht, skrupellos die eigene Agenda voranzutreiben. Und das oft mit Erfolg. Er organisierte Bush im Jahr 2000 und 2004 von einer ungünstigen Ausgangsposition aus zwei Wahlsiege und verbreiterte die Machtbasis der Republikaner im Kongress. All das ließ Bushs Hexenmeister mit dem legendären Lee Atwater um den Titel des erfolgreichsten politischen Beraters in der US-Geschichte konkurrieren.

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