Das Petersburger Wirtschaftsforum: Warten auf Putin

Moskau · Der zweite Tag des Sankt Petersburger Wirtschaftsforums gehört traditionell Wladimir Putin. Der Kremlchef hat die Welt zu Gast, hält einen Vortrag über die wirtschaftliche Lage seines Landes und stellt sich den Fragen eines bekannten US-Journalisten. Nicht zuletzt genießt er den großen Auftritt.

So auch in diesem Jahr. Die Statistik kann sich sehen lassen. Trotz Krise und russischer Isolation kamen mehr Teilnehmer und die Abschlüsse fielen höher aus als im Vorjahr.

Bei genauerem Hinsehen entsteht jedoch der Eindruck, dass Russlands wichtigste Wirtschaftsveranstaltung kein Treffen der internationalen Geschäftswelt ist. Eher scheint sich hier Russlands Bürokratie zu versammeln und auf Präsident Putin zu warten. Mit 70 Prozent Anteil an der russischen Wirtschaft ist der Staat größter Investor und Hauptaktionär. Wer in der Mischwelt aus Staat und Geschäft weiterhin mitspielen will, der sollte sich auf dem Petersburger Parkett auch zeigen. Ausländer sind die notwendigen Farbtupfer, die das Image des Forums bewahren.

Neben dem indischen Ministerpräsidenten Narenda Modi , dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern saß auch Moldaus Präsident Igor Dodan mit auf dem Podium. Die Moderation übernahm die US-Journalistin Meggyn Kelly von NBC. Mit Ausnahme des indischen Ehrengastes waren keine hochkarätigen Staatslenker zugegen. Einmal abgesehen von Horst Seehofer, der einer Vertragsunterzeichnung des Anlagenbauers Linde mit einem russischen Unternehmen beiwohnte. Präsident Putin sprach von der notwendigen Digitalisierung, die Russland verstärkt in Angriff nehmen werde. Ähnliches hatte er auch vorher schon oft gesagt. Ansonsten geht es in Wladimir Putins Wirtschaftsanalysen für Moskau immer nur vorwärts.

Den weltpolitischen Teil überließ er dem Gast aus Moldawien. Igor Dodan geißelte die Dominanz der USA, westliche Rücksichtslosigkeit und die Erpressungen der EU. Die Moldau werde sich nicht in Opposition zu Russland drängen lassen, sie strebe eine Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion an, sagte Dodan. Der Moldauer war für diesen Auftritt in die Rolle Wladimir Putins geschlüpft. Als Hausherr musste sich der Kremlchef etwas gemäßigter geben.

Das gelang ihm streckenweise auch. Wichtigstes Thema war die Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Putin sah es eher gelassen und stimmte nicht in den weltweiten Klagechor ein. Stattdessen rief er zu einem Kompromiss in der Klimapolitik auf. Trumps Versprechen, neue Bedingungen für die USA aushandeln zu wollen, lasse Raum für Hoffnungen bis zum Inkrafttreten des Abkommens 2021. Bis dahin könne man sicherlich eine Einigung finden. Bewusst vermied Putin Kritik am amerikanischen Präsidenten. So verständnisvoll hat sich seit Langem kein russischer Politiker einem US-Präsidenten gegenüber geäußert. Für das schlechte Wetter am Freitag in Moskau sei der US-Präsident jedenfalls nicht verantwortlich, auch wenn man ihm das nach der Klimaentscheidung gerne in die Schuhe schieben würde, lachte Putin. Eine Methode auf die der Kreml sonst gerne zurückgreift.

Wesentlich schärfer reagierte der Kremlchef auf die Frage nach der vermeintlichen russischen Einmischung bei den US-Präsidentschaftswahlen. Früher wären die Juden immer schuld gewesen, jetzt seien die Russen dran, konterte Putin. Das war ein geschickter Schachzug, der die Kritik an Russland mit Antisemitismus gleichsetzte. Diese rhetorische Figur wird in der Auseinandersetzung mit dem Westen inzwischen häufiger angewandt. Die Moderatorin ließ dennoch nicht locker und hakte nach. Putin konnte vor Wut kaum an sich halten und forderte Meggyn Kelly auf, "zum Ende zu kommen...."
Kein russischer Journalist hätte es gewagt, dem Präsidenten zweimal dieselbe Frage zu stellen. Putin kennt dergleichen Respektlosigkeit nicht, er ist dünnhäutig und zeigt sofort Blöße.
Auch der Krieg in Syrien und der jüngste Giftgaseinsatz in Chan Scheichun wurden noch angesprochen. Russland bleibt bei der Version, dass der von Moskau gestützte syrische Präsident Baschar al Assad damit nichts zu tun hatte.

Nichts Neues also: Putin entfaltet ein verschwörungstheoretisches Weltbild und empfiehlt sich gleichzeitig als spiritus rector.

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