Das US-Verfassungsgericht macht Geschichte

Historischer Tag für das Verfassungsgericht der Vereinigten Staaten von Amerika: Mit Sonia Sotomayor (55) wird erstmals eine Latina als Richterin am Supreme Court dienen.

Washington. Dem obersten Gericht der Vereinigten Staaten gehört in Zukunft auch ein Vertreter der Minderheit der Hispanier an. Der US-Senat hat in einer Abstimmung am Donnerstag die bisherige Bundesrichterin Sonia Sotomayor (55) bestätigt. 68 Senatoren stimmten für die Tochter puerto-ricanischer Einwanderer, die US-Präsident Barack Obama nominiert hatte. 31 votierten gegen sie. Damit schreibt der Supreme Court Geschichte. Denn erstmals rückt nun eine Kandidatin in das höchste Richteramt vor, deren Familie aus dem Süden des amerikanischen Kontinents stammt. Zudem ist sie erst die dritte Frau am "Supreme Court".

Die Abstimmung markiert das Ende eines vergleichsweise zügigen, aber keineswegs unkontroversen Anhörungsverfahrens. Während die Demokraten die erstmals von George H. W. Bush für ein Bundesgericht nominierte Ausnahmejuristin uneingeschränkt unterstützten, kritisierten die Republikaner sie als voreingenommen. Es sei zu befürchten, dass sie Frauen und Minderheiten von der Richterbank aus bevorzugen werde, lautet ein zentrales Argument ihrer Gegner. Mel Martinez (Republikaner) - einer von zwei latino-stämmigen Senatoren - hält die Ablehnung Sotomayors durch die Mehrheit seiner Fraktion für einen Fehler. "Das wird uns bei den Latinos nicht helfen", findet der Senator aus Florida. Die zuletzt an einem Berufungsgericht tätige Sotomayor sei bestens für das Amt qualifiziert. In 17 Jahren auf der Richterbank habe sie ihre Objektivität bewiesen. Einige seiner Kollegen hätten nur "nach einer Ausrede gesucht", weil sie den Druck von der konservativen Basis fürchteten.

Die Demokraten und Vertreter einflussreicher Latino-Gruppen zeigten sich enttäuscht über die schwache Unterstützung. "Das ist ein Schlag in das Gesicht unserer Gemeinschaft", meint der andere Seantor mit hispanischen Wurzeln im Senat, Bob Menendez (Demokraten) aus New Jersey. Die Präsidentin der einflussreichen Lobbygruppe "National Council of La Raza", Janet Murguia, erwartet Konsequenzen bei künftigen Wahlen. "Wir werden uns lange daran erinnern."

Mit 15 Prozent Anteil an der Wählerschaft zählen die Latinos zu einer der wichtigsten Stimmgruppen in den USA. Zuletzt erklärte nur noch einer von fünf Latinos Sympathie für die Republikaner. Sotomayors Vater kam aus Puerto Rico in den Big Apple, um dort als Fabrikarbeiter seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Als Sonia neun Jahre alt war, starb er. Ihre Mutter zog sie in einer Sozialwohnung im New Yorker Armenviertel "Bronx" groß. Um ihre Familie durchzubringen, arbeitete sie in zwei Jobs. Sonia glänzte in der Schule und verdiente sich damit ihre Stipendien für die Elite-Universitäten Princeton und Yale. Als Staatsanwältin in Manhattan sammelte sie praktische Erfahrung im Strafrecht, bevor sie in eine private Kanzlei wechselte. Dort erhielt sie ihre erste Berufung an ein Bundesgericht.

Zu nationaler Bekanntheit schaffte es Sotomayor, als sie mit einem couragierten Urteil einen monatelangen Streik in der Baseballiga beendete. "Einige behaupten, sie habe den Baseball gerettet", flachste Präsident Barack Obama bei ihrer Nominierung im Mai. Die neue Richterin am Supreme Court ersetzt David Souter, der aus Altersgründen in den Ruhestand trat. Die konservative Mehrheit am Verfassungsgericht (4:3) ändert sich durch die Berufung Sotomayors nicht.

Meinung

Obama überwindet eine Barriere

Wenn heute mit Sonia Sotomayor die erste Latina in der Geschichte des höchsten Gerichts der USA den Amtseid ablegt, so ist dies ein historisches Ereignis - und ein Erfolg für den zuletzt auf vielen innenpolitischen Feldern wie der beabsichtigten Gesundheitsreform unter Druck geratenen Barack Obama. Zwar war die Absegnung der Berufung Sotomayors durch den Senat angesichts der stimmenmäßigen Dominanz der Demokraten zu erwarten. Doch am Ende votierte auch ein Teil der konservativen Opposition für die Kandidatin puerto-ricanischer Abstammung, deren steiler Aufstieg nach oben durchaus der Vita des Präsidenten ähnelt. Obama hat mit seiner spektakulären Personalentscheidung zwar nicht das Verhältnis der Kräfte am "Supreme Court" verändert, der mit seinen Beschlüssen in der Vergangenheit immer wieder aktiv amerikanische Politik mitdefiniert hat. Doch der Präsident signalisiert klar an die Bevölkerung, was bereits durch seine Wahl ins Weiße Haus ausgedrückt wurde: Die Zeit, in der die Rassen-Zugehörigkeit auch über die beruflichen Aufstiegschancen bestimmte, muss vorbei sein. Natürlich wollte Obama mit der Nominierung Sotomayors nicht nur gesellschaftliche Akzente setzen und - wie er selbst sagt - eine weitere "Barriere" überwinden. Er belohnt mit der Auswahl der erfahrenen Richterin aus New York auch eine wichtige Wahl-Klientel, die Minderheit der rund 45 Millionen "Hispanics" in den USA. Damit verbessert er gleichzeitig seine Chancen auf eine Wiederwahl im Jahr 2012 und die Aussichten der Demokraten bei den Kongress-Zwischenwahlen im kommenden Jahr, zumal die derzeit von Obama angestrebte Liberalisierung des Einwanderungsrechts gerade den Lateinamerikanern klar und deutlich signalisiert: Ihr seid im Land erwünscht. nachrichten.red@volksfreund.de

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