Das Unternehmen "Abi 2017" tritt in seine heiße Phase

Berlin · Mit einem gemeinsamen Aufgabenpool wollen die Bildungsminister Kritik an der Reifeprüfung abfedern.

Berlin (dpa) Zu unterschiedlich und daher kaum vergleichbar, in manchen Bundesländern viel zu lasch, in anderen viel zu schwierig, alles in allem ziemlich ungerecht: Das Abitur steht seit langem in der Kritik. Nun soll ein gemeinsamer Aufgabenpool die Anforderungen in vier Fächern auf ein gemeinsames Level bringen. Dies könnte erst ein Anfang sein, um den Flickenteppich übersichtlicher zu gestalten. Doch den ganz großen Wurf wird es wohl auch auf Dauer nicht geben - ein Zentralabitur wollen die Länder nämlich auf gar keinen Fall.
Schon die Terminübersicht der Kultusministerkonferenz (KMK) zum "Abi 2017" zeigt, wie kompliziert die Sache ist. Am morgigen Donnerstag geht es in Hessen mit schriftlichen Arbeiten los. Zehn Länder haben ihr schriftliches Abitur in den April gelegt, die Bayern sind erst im Mai dran, in Rheinland-Pfalz ist das schriftliche Abi längst gelaufen (siehe Extra). Hier müssen viele Schüler - ein Sonderfall - Mitte März bereits "ins Mündliche". Ansonsten laufen diese Prüfungen teilweise bis weit in den Juli hinein. Wer erst dann - also mitten im Hochsommer - weiß, ob er das Abi in der Tasche hat, muss sich für den Start in ein Hochschulstudium oder in eine Ausbildung schon mächtig sputen. Ein gemeinsamer Aufgabenfundus für Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch soll nun immerhin sicherstellen, dass sich die Abi-Niveaus bundesweit etwas annähern. Mindestens zwei, maximal 20 bundesweit abrufbare Aufgaben stehen je nach Fach und Teilbereich zur Auswahl. Grundlage sind die 2012 verabschiedeten "Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife". Fachlich begleitet wird das Projekt vom Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB).
"Mit dem Abitur 2017 gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung einer besseren Vergleichbarkeit", verbreitet KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann (CDU) Aufbruchstimmung. "Dafür haben alle Länder Aufgaben für einen Pool entwickelt, und daraus, ergänzt durch länderspezifische Aufgaben, ergibt sich die einheitliche Basis für das Abitur 2017." Ob die von Land zu Land hinzugefügten Abi-Aufgaben die gewünschte "bessere Vergleichbarkeit" der Prüfungen und Noten sogleich wieder verwässern, das dürfte eine der spannenden Fragen dieser vorsichtigen Bildungsreform sein.
Eisenmann gibt sich "erst einmal optimistisch", dass die Länder auf dem richtigen Weg sind. Eine von manchen Fachleuten befürchtete "Nivellierung nach unten" bei den Abi-Anforderungen erwartet sie nicht. Für zukünftige Reformschritte weiterhelfen soll die rasche Evaluation durch das renommierte IQB, möglichst schon im Herbst 2017. "Ganz wichtig ist, dass wir dieses Abitur zügig auswerten lassen", betont die baden-württembergische Ressortchefin. Denn es laufen bereits Vorbereitungen für die Aufgabenpools 2018 und 2019, einheitliche Standards für Biologie, Physik und Chemie könnten folgen.
Experten wie der Chef des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisieren die Zurückhaltung der Minister bei ihrer Abi-Reform. "Wenn man sich die rechnerische Bedeutung dieses gemeinsamen Prüfungsteils anschaut, dann ist die nur minimal. Es geht hier am Ende vielleicht um fünf Prozent Anteil am Abi, die davon berührt werden. Das muss ausgebaut werden." Der deutsche Bildungsföderalismus dürfte aber auch künftig große Reformschritte erschweren. Weshalb die Abi-Ungleichheit wohl noch eine Weile bestehen bleibt.
AUCH RHEINLAND-PFALZ BEDIENT SICH IM POOL


Extra

(red) An den rheinland-pfälzischen Gymnasien sind die schriftlichen Abiturprüfungen in Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch bereits vom 11. bis 18. Januar abgelegt worden. Wie das Bildungsministerium in Mainz mitteilte, wurden dabei erstmals auch Aufgaben aus dem bundesweiten Aufgabenpool gestellt. Bildungsministerin Stefanie Hubig: "Die ersten Rückmeldungen zum neuen Abitur sind positiv. Mit der Umsetzung der Bildungsstandards sorgen wir für ein höheres Maß an Transparenz und Bildungsgerechtigkeit. Davon profitieren alle."

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