Das Weihnachts-Phänomen

TRIER/KÖLN. Die Zahl der Gottesdienstbesucher nimmt seit Jahren ab. Aber an Weihnachten sind die Kirchen voll. Diplom-Psychologin Hildegard Belardi aus Bergisch-Gladbach sprach mit dem TV über das "Weihnachts-Phänomen".

Die Zahl der Kirchenbesucher nimmt laut Hans Casel, Pressesprecher des Trierer Generalvikariats, im Bistum Trier seit Jahren ab. "Die Zahl der Gottesdienstbesucher lag im vergangenen Jahr bei durchschnittlich 220 800 pro Sonntag", sagt Casel. "Bei knapp 1,6 Millionen Katholiken sind das rund 14 Prozent."Familien haben ihre eigenen Bräuche

Fast widersprüchlich erscheint da, dass die Menschen alle Jahre wieder an Weihnachten in die Gotteshäuser strömen. "An Weihnachten kommt niemand vorbei", sagt Hildegard Belardi.

Die Diplom-Psychologin aus Bergisch-Gladbach ist Gesprächstherapeutin und befasst sich seit mehreren Jahren mit den seelischen Auswirkungen des Weihnachtsfestes.

An Weihnachten werde ein Automatismus ausgelöst, sagt sie. "Egal, ob gläubig oder nicht, in uns wird das Bild einer heilen Familie wach", analysiert Belardi. Weihnachten sei ein Familienfest, das Fest der Liebe und der Hoffnung. "Wir feiern das Fest der Geburt des Erlösers", sagt Belardi. Kirche sei die Institution, die den Hoffnungsgedanken verkörpere. Weihnachten sei voller Symbolik. "Verbunden mit der Hoffnung, dass was besser wird."

Zum einen ist es der Psychologin zufolge dieser Hoffnungsgedanke, der die Menschen auf den Weg zum Gottesdienstbesuch bringe, zum anderen sei es die Tradition.

"Familien haben ihre eigenen Traditionen, Werte und Bräuche", sagt Belardi. Der Gottesdienstbesuch sei in vielen Familien untrennbar mit Weihnachten verknüpft. "Er ist in vielen familiären Traditionen fest installiert."

Ein weiterer Punkt, der die Menschen die Christmette mitfeiern lasse, sei, dass Einsamkeit an den Festtagen spürbar und heftiger erlebt werde. Da bekomme der Wunsch, in Gemeinschaft etwas zu erleben, einen hohen Stellenwert. Der Gottesdienstbesuch stille dieses Sehnen nach dem Erleben von Gemeinschaft - zumindest zu einem Teil. "Die Kirchengemeinde gemeinsam erleben, bildet einen Kontrapunkt zur Individualisierung und zur Vereinsamung", sagt Hildegard Belardi. Zudem keime in einer verrückten Welt - selbst die Natur ist nicht mehr begreifbar, Hyazinthen blühen beispielsweise im Spätherbst - der Wunsch nach Verlässlichkeit auf. Kirche werde zu einem Fels in unsicheren Zeiten. Belardi: "Und vieles wird auf Weihnachten projiziert".

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