"Das ist der größte Unsinn"

TRIER. Heftige Kritik an der geplanten Reform des Sozialsystems hat Walter Hirrlinger, Präsident des Sozialverbands VdK. Er spricht sich gegen eine Abschaffung der Pflegeversicherung aus.

Bei der derzeitigen Diskussion um die Reform des Sozialsystems müssen sich Ihnen doch alle Nackenhaare stellen. Hirrlinger: So ist es. Es werden ständig neue Kommissionen eingesetzt, nach dem Motto man kann nie genug davon haben. Es gab noch nie eine solche Inflation an Kommissionen wie gegenwärtig. Droht also das soziale Chaos, weil keiner mehr weiß, wo es lang gehen soll? Hirrlinger: Man könnte den Eindruck haben. Die Kommissionen haben noch keine Ergebnisse, aber einzelne Mitglieder der Arbeitsgruppen, haben täglich neue Ideen. Es geht nur noch um Sparmaßnahmen, es geht nicht mehr um ein Zukunftskonzept. Wie sähe denn eine aus Ihrer Sicht ideale und finanzierbare Reform des Sozialsystems aus? Hirrlinger: Die Verschiebebahnhöfe müssten ein Ende haben. Wesentliche Teile der Kosten der Wiedervereinigung wurden über die Sozialversicherung bezahlt. Die Beiträge der Sozialversicherungen könnte um drei Prozent niedriger sein, wenn man damit nicht die Löcher in Ostdeutschland gestopft hätte. Die hätten über Steuern finanziert werden müssen. Die Pflegeversicherung ist in der Diskussion. Sie soll abgeschafft werden. Hirrlinger: Das ist der größte Unsinn, der mir je begegnet ist: Pflegeversicherung abschaffen und umstellen auf Steuerfinanzierung nach dem Bedürftigkeitsprinzip. Das ist genau das, was wir vor der Einführung der Pflegeversicherung hatten, als die Sozialhilfe die Pflege bezahlt hat. Durch die Pflegeversicherung ist die Sozialhilfe wesentlich entlastet worden. Wenn das nun wieder umgestellt werden soll, wie das die Rürup-Kommission vorgeschlagen hat, dann wird die Sozialhilfe wieder ausgeplündert zu Lasten der Kommunen. Ein anderer Vorschlag ist, die Pflegeversicherung mit den Krankenkassen zusammen zu legen. Hirrlinger: Ich bin dafür. Die beiden Versicherungssysteme schieben ohnehin heute schon die Kosten hin und her. Das muss aufhören. Die Leistung muss aus einer Hand erfolgen. S Das Interview führte unser Redakteur Bernd Wientjes

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