"Das ist politische Brandstiftung"

BERLIN. Der Vorschlag einer Unterschriften-Aktion, den CSU-Landesgruppenchef Michael Glos bezüglich eines möglichen EU-Beitritts der Türkei ins Spiel gebracht hat und den die CDU-Vorsitzende Angela Merkel aufgegriffen hat, droht zum Bumerang zu werden: Die Ablehnung ist massiv, selbst Unionspolitiker melden Bedenken an.

Am heftigsten reagierte die neue Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth. Die Unionsführer Merkel, Stoiber und Glos seien "politische Brandstifter", die den Extremisten von rechts in die Hände spielten, sagte sie in Berlin. Nicht minder deftig die Stellungnahme der liberalen Generalsekretärin Cornelia Pieper: Die Forderung sei nichts anderes als "unverantwortlicher Populismus".Niemand fand ein positives Wort

Wen man dazu auch befragte am Montag, die Kommentare waren nahezu identisch. Ob Wolfgang Thierse, Heide Simonis, Gernot Erler (alle SPD), Joschka Fischer, Reinhard Bütikofer, Volker Beck (alle Grüne), Guido Westerwelle, Wolfgang Gerhardt, Max Stadler (alle FDP) - niemand fand ein positives Wort für die Unterschriften-Idee. Nicht mal CDU-Politiker mochten sich mit der Aktion anfreunden. "Bauchschmerzen" überkam bei dem Gedanken der Europa-Abgeordnete Elmar Brok. Auch sein Bundestagskollege Friedbert Pflüger, Außenpolitiker der CDU, wollte davon nichts wissen: "Ich rate ab." In die gleiche Kerbe hieb der neu gewählte Oberbürgermeister von Wuppertal, der Christdemokrat Peter Jung: Solche Pläne seien "außerordentlich schädlich", weil sie Beifall von der falschen Seite hervor riefen. Ähnlich äußerten sich auch die CDU-Politiker Volker Rühe, Peter Hintze, Wolfgang Bosbach und Ruprecht Polenz.Politische Duftmarken

Nun dienen solche Vorstöße im politischen Spiel nicht nur der allgemeinen Diskussion, sondern ebenso der konkreten Taktik. Glos wollte mit seinem Vorschlag dem Vernehmen nach auch einen Versuchsballon starten und die Debatte über "diese Schicksalsfrage" intensivieren. Zugleich sind dieChristenparteien daran interessiert, politische Duftmarken zu setzen, um das Wählerpotential auf der rechten Seite (zurück) zu gewinnen. Ob sich CDU und CSU tatsächlich für eine Unterschriften-Aktion der Art entscheiden, wie sie der Parteifreund Roland Koch aus Hessen im Februar 1999 praktiziert hat (damals ging es um die doppelte Staatsbürgerschaft), steht aber noch in den Sternen. CSU-Chef Edmund Stoiber sprach am Montag von einem "Signal" an die Bevölkerung. Er halte wie der gesamte CSU-Vorstand den Unterschriften-Vorschlag für eine "durchaus vernünftige Idee".

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