"Das richtige Wort zur richtigen Zeit"

SHANGHAI. Es gibt Bratwurst und Bier im Hilton-Hotel in Shanghai. Johannes Rau ist nicht nur wegen seiner "Neugier" auf die 18-Millionen-Mega-City gut gelaunt, sondern auch wegen des gerade absolvierten gelungenen Besuches in Nanjing.

Bundespräsident Johannes Rau hat bei seinem China-Besuch die Ehrendoktor-Würde der renommierten Universität in Nanjing empfangen - und zugleich eine Rede gehalten, die Eindruck hinterlassen hat. Thema: Das "Rechtsstaatsprinzip", das die "Voraussetzung für eine moderne Gesellschaft" sei. Wochenlang hat er daran gefeilt, sich "viel Mühe gegeben" und den Rat von Juristen und China-Kennern eingeholt. Und dann redet er im Festsaal der Uni Nanjing vor ein paar Hundert Studenten und Dozenten, den neuen Doktorhut auf dem Kopf, tatsächlich Tacheles. Später wird er vor den mitreisenden Journalisten sagen, dies sei "das richtige Wort zur richtigen Zeit" gewesen, und die chinesische Führung in Peking werde seinen Appell gewiss nicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten verstehen, sondern "als Gesprächsangebot". Ziel einer jeden Politik müsse es sein, sagt Rau, "dafür zu sorgen, dass das Volk umfangreiche Rechte und Freiheiten nach dem Gesetz genießt, dass die Menschenrechte respektiert und garantiert und alles staatliche Handeln gesetzmäßig durchgeführt wird". Die Chinesen lauschen gebannt. Aber selbst die Offiziellen können gar nicht böse sein, ist Raus Rede doch mit Zitaten des einheimischen Philosophen Konfuzius und jeder Menge Lobpreisungen gespickt. "Wir bewundern China", schmeichelt der Präsident, "und die wirtschaftliche Dynamik macht Staunen". Auch ziele die Politik Pekings darauf ab, "die Lebensbedingungen aller Menschen dieses Riesenlandes zu verbessern". Dieser politische Höhepunkt der einwöchigen China-Reise des Bundespräsidenten wird umsäumt von einer Fülle weiterer Termine, die sich der 72-Jährige trotz tropischer Temperaturen zumutet. In Nanjing besucht er die Firma Siemens und die Niederlassung der Chemiefirma BASF, die dort das größte Projekt ihrer 138-jährigen Geschichte baut. In nur vier Jahren entsteht für drei Milliarden Euro ein gigantischer Chemiekomplex. In Shanghai wirbt Rau in der Fudan-Universität für den Ausbau des Studentenaustauschs, besucht jüdische Einrichtungen und empfängt protestantische Kirchenvertreter, die ihm versichern, ihre Religion völlig frei ausüben zu können. Und natürlich gibt er sich in der spektakulären Hafenstadt auch bei der deutschen Handelskammer die Ehre. Zuvor war er von chinesischen Auszubildenden gefragt worden, wie er es denn anstelle, noch so fit zu sein. Rau, der immer wieder darauf hinweist, "dass die Menschen in China Sprünge machen statt Schritte", antwortet, nicht ganz wortgetreu, mit Churchill: "No sport." Und fügt zur Gaudi der Anwesenden hinzu: "Ich bin 72, aber Sie geben doch zu, ich sehe aus wie 71."

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