Dekret mit Hintertürchen

TRIER. Sechs Jahre lang hat der Trierer Bischof prüfen lassen, seit gestern ist es amtlich: Die angeblichen Marienerscheinungen im saarländischen Marpingen werden von der Katholischen Kirche nicht anerkannt. Zum Leidwesen orthodoxer Marienverehrer. "Der Bischof irrt", behaupten sogar einige.

Die saarländische Gemeinde Marpingen kann aufatmen: Der ganz große Pilgeransturm bleibt dem 5400-Seelen-Ort im Kreis St. Wendel wohl erspart. Den Grundstein dafür legte am Mittwochmittag Triers Bischof Reinhard Marx mit seiner Feststellung, den Ereignissen in Marpingen komme "kein übernatürlicher Charakter" zu. "In der kirchlichen Verkündigung" bleibe es daher verboten, in Verbindung mit Marpingen von "Erscheinungen", "Seherinnen" oder "Botschaften des Himmels" zu sprechen."Der Himmel lenkt das"

Marpingen, der nördlich von Saarbrücken gelegene Ort, ist für orthodoxe Verehrer der Gottesmutter so etwas wie das deutsche Lourdes. Seit fast 150 Jahren soll sich Maria im dortigen Härtelwald immer mal wieder Gläubigen gezeigt haben. Zuletzt war sie drei selbst ernannten Seherinnen vor sechs Jahren angeblich gleich 13-mal hintereinander erschienen - zum Leidwesen eines Großteils der Marpinger Bevölkerung. Der Ort kollabierte fast unter dem Pilgeransturm. Der damalige Trierer Bischof Hermann Josef Spital sah sich zum Handeln gezwungen, setzte eine fünfköpfige Kommission ein, die sämtliche Vorgänge in Marpingen untersuchen sollte. Ergebnis: Weder die ältesten noch die jüngsten Marienerscheinungen seien nur auf übernatürliche Weise zu erklären, sagt Spital-Nachfolger Reinhard Marx. Heißt auf gut Deutsch: Die Amtskirche glaubt nicht, dass die Gottesmutter den Gläubigen im Härtelwald jemals erschienen ist. Allerdings: Ein Hintertürchen lässt sich Marx ("Was ist schon hundertprozentig sicher?") offen. In dem von ihm erlassenen Dekret wählte der Bischof die Formulierung: "Es steht nicht fest, dass den Ereignissen (...) übernatürlicher Charakter zukommt." Wäre der Trierer Bischof hingegen felsenfest davon überzeugt, dass in Marpingen tatsächlich nichts "Himmlisches" passiert ist, hätte er eine andere Beurteilungsformel gewählt: "Es steht fest, dass es sich um nichts Übernatürliches handelt." Während diese Formulierung endgültiger Natur gewesen wäre, kann die von Bischof Marx gewählte vorsichtige Variante aufgrund von neuen Erkenntnissen wieder aufgehoben werden. Darauf hofft auch Gottfried Schreiner, der Vorbeter des strenggläubigen Marpinger Kapellenvereins. "Der Himmel lenkt das", glaubt Schreiner, manchmal müsse man einfach Umwege in Kauf nehmen. Er jedenfalls sei fest von der Echtheit der Erscheinungen überzeugt. "Wir wissen, dass es die Erscheinungen gab", sagt auch eine Vorstandssprecherin des nicht weniger gottesmutterfürchtigen Vereins "Marien-Apostolat Marpingen". Die Trierer Entscheidung sei schon "ein starkes Stück. Der Bischof irrt". Einig sind sich Marien-Apostolat und Kapellenverein, dass das Marx-Dekret die Marienverehrer nicht abhalten werde. "Ganz im Gegenteil", sagt Gottfried Schreiner, die Pilgerströme nach Marpingen würden noch anwachsen. "Die Menschen spüren einfach: Das ist was Himmlisches", sagt der Vorbeter und verweist auf zahlreiche Wunderheilungen in den letzten Jahren. Angebliche Wunder waren keine

Die Internet-Seite des Marien-Apostolats ist voll von solchen vermeintlich "außerordentlichen Ereignissen": Mal heilte das Marpinger "Gnadenwasser" (Schreiner) angeblich einen entzündeten Finger, mal einen fiebrigen Jungen, mal einen asthmakranken Mann. Nicht wenige wollen Jesus, Maria oder sogar mehrere Engelchöre gesehen haben. Die Bischofskommission habe eine Reihe dieser "wunderbaren Phänomene" überprüft, sagt am Mittwoch Kirchenhistoriker Professor Bernhard Schneider. Das ernüchternde Ergebnis: Man könne "nichts dergleichen bestätigen".

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