Den Spieß ganz locker rumgedreht

BERLIN. "Showdown" im"Lügen-Ausschuss". Die Union will Finanzminister Eichel der Wahllüge überführen. Ganz funktioniert hat das nicht.

Die Union wähnte sich bereits am Ziel ihrer Wünsche: "DerNachweis, dass Hans Eichel die Öffentlichkeit falsch informierthat, ist bereits erbracht", triumphierte Peter Altmaier schon vorBeginn der gestrigen Sitzung des Untersuchungsausschusses"Wahlbetrug". Eine "Entschuldigung", fügte der CDU-Obmann nochhinzu, sei jetzt wohl "das Mindeste", was man vomBundesfinanzminister erwarten könne. Altmaier sollte sichgründlich täuschen. Zwar lächelte der Kassenwart der Nationziemlich gequält, als er pünktlich auf die Minute im großenSitzungssaal des Berliner Paul-Löbe-Hauses zur Vernehmungeintraf. Doch schon nach seinen ersten Worten war vonBußfertigkeit nichts zu spüren. Im Gegenteil. Eichel zeigte sich über die Vorwürfe der Wählertäuschung empört: "Den von der Opposition vermittelten Eindruck weise ich mit Nachdruck zurück." Zugleich stellte er umgehend klar, über die schlechteren Wirtschaftsdaten im Wahljahr sehr wohl Bescheid gewusst zu haben. Auch der Öffentlichkeit seien "alle relevanten Daten" bekannt gewesen. Allerdings habe es "begründete Hoffnungen" gegeben, dass es doch besser kommen könnte, als es am Ende tatsächlich kam. "Ich stehe zu allen politischen Entscheidungen", meinte Eichel fast trotzig. Dieser Verteidigungsstrategie hatte die Union wenig entgegen zu setzen. Natürlich stand einmal mehr der interne Vermerk eines Referatsleiters im Raum, der die Steuerausfälle bereits im Juli 2002 auf zusätzlich zehn Milliarden Euro taxiert hatte, was auch die Einhaltung des Maastrichter Verschuldungskriteriums immer zweifelhafter machte. Doch Eichel konterte kühl: "Die Referatsvorlagen Einzelner geben nicht die Meinung des Hauses wieder." Die bilde immer noch der Minister. Auch der als Frage verpackte Vorwurf von CDU-Obmann Altmaier, warum er der Öffentlichkeit die düsteren Daten vorenthalten habe, perlte ungerührt an Eichel ab: "Mir ist nicht bekannt, dass jemals ein Minister auf Grund des Vermerkes eines Referatsleiters an die Öffentlichkeit gegangen ist." Selbst die von der Union zitierte Unterrichtungspflicht entsprechend der Haushaltsordnung konnte den Minister nicht aus der Fassung bringen. Habe man sich doch "ausschließlich im Bereich von Prognosen bewegt". Lang und breit berichtete Eichel dann, dass auch die allermeisten Wirtschaftsinstitute "bis in den Sommer" 2002 hinein von einer Beschleunigung des Wachstums ausgegangen waren. "Erst im Oktober gab es eine belastbare Grundlage für finanzpolitische Entscheidungen", befand Eichel. Da war die Wahl freilich gelaufen.

"Habe immer gesagt: Es wird eng!"

Doch die Union konnte den Kassenwart nicht auf mutmaßliche Schönfärberei festnageln. "Ich habe zu jeder Zeit gesagt, es wird eng", ging der Hesse wieder zum Angriff über. Ja, in der heißen Phase des Wahlkampfs sei wegen der Flutschäden sogar die Steuerreform verschoben worden. "Wie kann ein Finanzminister seine Sorge noch mehr ausdrücken?", fragte Eichel treuherzig in den Saal. Nur einmal ließ sich der Finanzminister zu einer Äußerung hinreißen, die den Wunsch als Vater des Gedankens deutlich machte: Eine negative Einschätzung der Wirtschaftslage aus seinem Munde hätte sich "mit Sicherheit negativ" ausgewirkt. Schließlich sei Wirtschaft "zur Hälfte Psychologie", so Eichel. Allein, die Union konnte daraus kein Kapital schlagen. Ja, Eichel gelang es sogar, den Spieß umzudrehen, als er mit tatkräftiger Unterstützung von Fragestellern der SPD auf die Finanzsituation unionsregierter Länder zu sprechen kam: Auch die hätten ja im Sommer 2002 sämtliche Zahlen gehabt - um so verwunderlicher seien die unfinanzierbaren Wahlversprechen der Union in Höhe von 20 Milliarden Euro gewesen.

Am Ende sah sich Peter Altmaier in seiner Auffassung der "Täuschung und Lüge" bestätigt, was die SPD sogleich als "üble Verleumdungskampagne" brandmarkte. Und Hans Eichel? Der verließ nach fünf Stunden im Ausschuss entspannt den Saal. Sein Fazit: "Die ganzen Kommentare sind doch seit Wochen festgelegt."

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