Der Aufschwung geht an vielen vorbei

BERLIN. Seit 26 Monaten ist die unter dem Reizwort "Hartz IV" bekannt gewordene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II jetzt in Kraft. Doch bei den Job-Aussichten hat sich für die Betroffenen nur wenig zum Besseren gewendet.

"Langzeitarbeitslose konnten bislang noch nicht richtig von der positiven Entwicklung des Arbeitsmarktes profitieren", räumte Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), gestern in Berlin ein. Die gute Konjunktur und eine verstärkte Förderung sollen nun für Abhilfe sorgen. Zahl der Hilfebedürftigen geht zurück

Von den rund vier Millionen Arbeitslosen Ende 2006 waren immerhin etwa zwei Drittel mehr als ein Jahr lang ohne Job. Zum vollständigen Bild gehört allerdings auch, dass im Vorjahr rund eine Million Hartz-IV-Empfänger den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt schafften. Dadurch ging die Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen seit Mai 2006 um vier Prozent zurück. Nach großen Anfangsschwierigkeiten hat sich offenbar auch das Zusammenspiel von Kommunen und Arbeitsagenturen in den Arbeitsgemeinschaften (Argen) vor Ort verbessert. So sei die Dienstleistungsqualität gestiegen. Zudem wurden die Förderstrukturen ausgebaut. Noch immer gebe es jedoch Mängel, weil den Betroffenen nicht schnell genug ein Ansprechpartner zur Verfügung stehe und Eingliederungsvereinbarungen vernachlässigt würden, erklärte Alt. Im Grundsatz können Langzeitarbeitslose von allen Förderinstrumenten profitieren, die auch der übrigen BA-Kundschaft zur Verfügung stehen. Für beide Personenkreise haben sich zum Beispiel befristete Lohnkostenzuschüsse gut bewährt. Bei diesen so genannten beschäftigungsbegleitenden Maßnahmen betrug die Erfolgsquote im ALG-II-Bereich rund 69 Prozent. Das heißt, mehr als jeder Dritte war auch nach Auslaufen der Zuschüsse noch in Lohn und Brot. Kaum bewährt haben sich dagegen Bildungsgutscheine, weil das Instrument ein gewisses Maß an persönlicher Selbständigkeit und Intelligenz voraussetzt. Alt verwies darauf, dass etwa 400 000 erwerbsfähige Empfänger von Arbeitslosengeld II noch nie einen Arbeitsplatz hatten. Für solche Leute könnten Ein-Euro-Jobs sinnvoll sein, sagte Alt. Auf jeden Fall müsse sich mit diesen Tätigkeiten eine "Strategie" zur Integrationsförderung verbinden. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg war dagegen kürzlich in einer Studie zu dem Schluss gekommen, das die inzwischen rund 300 000 Ein-Euro-Jobs nicht nur reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängen, sondern beispielsweise auch für Urlaubs- und Krankheitsvertretungen herhalten müssen. Die BA hält von solchen Erkenntnissen allerdings wenig.Milliarden für die Eingliederung

Wer über Verwerfungen am Arbeitsmarkt rede, der solle sich besser auf die Schwarzarbeit mit ihren schätzungsweise sechs Millionen Jobs konzentrieren, meinte Alt. Für Maßnahmen zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen ins Berufsleben stehen 2007 rund 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist rund eine Milliarde mehr als im Vorjahr. Damals wurde das Geld allerdings nicht komplett verausgabt, weil es offenbar noch zu viele Reibungsverluste in den Arbeitsgemeinschaften gab. Mittlerweile seien sie professioneller geworden, versicherte Alt. "Vor allem im Bereich der beruflichen Weiterbildung werden wir mehr tun". Zur Verwirklichung dieses Ziels müsse allerdings auch eine "gesetzgeberische Ruhe" eintreten, meinte Alt mit Blick auf die zahlreichen Nachbesserungen an der Arbeitsmarktreform. Dabei steht die politisch umstrittene Neuordnung des Niedriglohnsektors noch aus. Zudem könnte ein im März erwartetes Urteil aus Karlsruhe für neue Unruhe in den Arbeitsagenturen sorgen. Der Deutsche Landkreistag hatte Verfassungsbeschwerde gegen die Mischverwaltung in den Argen eingereicht und die Forderung nach einer ausschließlichen Betreuung der Langzeitarbeitslosen durch die Kommunen erhoben. Bekäme der Landkreistag Recht, müsste der Gesetzgeber ein weiteres Mal handeln.

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