Der Bayer und seine Großbaustellen

Berlin · CSU-Chef Seehofer sieht die Union plötzlich auf einem guten Weg. In Berlin schlägt er moderate Töne an. In München muss er kämpfen.

Berlin Zwei Großbaustellen können auch für einen wie Horst Seehofer zu viel sein. Vor allem, wenn sich die eine in München und die andere in Berlin befindet. So galt es am Dienstag, eine davon möglichst abzuräumen. Zumindest vorerst. Nach seinem Treffen mit Angela Merkel im Kanzleramt und der konstituierenden Sitzung der CSU-Landesgruppe gab sich der Parteichef folglich betont optimistisch: Man werde mit einer "geschlossenen Haltung" in Sondierungen mit anderen Parteien gehen.
Es gebe zwischen ihm und Merkel "trotz der angespannten Situation" eine "vernünftige Atomsphäre ohne gegenseitige Vorwürfe". Kurz nach dem Debakel von CDU und CSU bei der Bundestagswahl klang das noch anders. Da drohte Seehofer, es dürfe kein "Weiter so" mehr geben.

Jetzt nur noch so viel: Alsbald werde man mit der CDU Gespräche führen, um der Öffentlichkeit klar zu machen: "Wir haben verstanden", so Seehofer. Die CSU werde sich dabei wieder verstärkt um den sozialen Kompass kümmern. Auch gehe es nicht nur um eine Obergrenze für Flüchtlinge, sondern beim Thema Zuwanderung erwarte die Bevölkerung "ein geschlossenes Regelwerk".
Ebenfalls zuversichtlich zeigte sich der bayerische Ministerpräsident hinsichtlich einer Verständigung mit den Grünen für eine Jamaika-Koalition: Schon 2013 sei eine Kooperation nicht an der CDU oder der CSU gescheitert, sondern an den Grünen. Allerdings werde man "keine schrägen Kompromisse machen". Damit das auch dann nicht passiert, wenn eine Koalition tatsächlich zustandegekommen ist, hat Seehofer nun Alexander Dobrindt als CSU-Landesgruppenchef installiert.
Sein Amt als Verkehrsminister wird Dobrindt parallel bis zur Bildung einer neuen Regierung fortführen. Der 47-Jährige war auch mal CSU-Generalsekretär, er ist ein Wadenbeißer. Angesichts eines Bundestages mit sieben Parteien und einer starken AfD müsse es eine neue "strategische Position der Landesgruppe" geben, so Dobrindt. Mit ihm würden die Bajuwaren "klar, direkt, konservativ" auftreten. Nur noch 46 statt 56 CSU'ler sitzen übrigens im Parlament.

Für seinen eigentlichen Kampf zu Hause hat Seehofer nun etwas den Rücken frei. 38,8 Prozent hat die CSU in Bayern geholt. Noch nie hat die selbsternannte Staatspartei im Freistaat so schlecht abgeschnitten, viele sehen die absolute Mehrheit bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr gefährdet. Seehofer, der sich im April fürs Weitermachen in seinen Ämtern entschied, muss kämpfen. Heute wird er sich der Landtagsfraktion stellen. Noch wagen sich nur eher unbekannte bayerische Abgeordnete aus der Deckung und fordern seinen Rücktritt. Doch aus einzelnen Stimmen kann schnell eine Lawine werden. Schließlich ist die CSU bekannt dafür, mit ihrem Führungspersonal gern kurzen Prozess zu machen. Seehofer reagierte gestern auf die Rücktrittsforderungen mit dem Hinweis, der Wahlparteitag im November sei der richtige Ort, "diese Debatten zu führen. Alles andere ist nicht hilfreich".

Er und Kanzlerin Angela Merkel nahmen dann am Nachmittag an der ersten Sitzung der neuen Unionsfraktion teil. Dem Vernehmen nach wurde dort sachlich, ruhig und selbstkritisch die Lage analysiert. Erneut zum Fraktionschef wählten die Abgeordneten Volker Kauder. Der 68-Jährige führt die Fraktion seit 2005. Viele in der Union hatten auf eine Verjüngung an der Spitze gehofft, was sich auch im Wahlergebnis zeigt: Nur 180 von 239 Abgeordneten stimmten für ihn, schlappe 77 Prozent. Doch Kauder ist erfahren, kampferprobt und mit allen parlamentarischen Tricks vertraut. In einem Bundestag mit der AfD wollte Merkel auf ihn nicht verzichten. Doch Kauder ist erfahren, kampferprobt und mit allen parlamentarischen Tricks vertraut. In einem Bundestag mit der AfD wollte Merkel auf ihn an vorderster Stelle nicht verzichten.

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