Der Etat 2009 soll zu Peer Steinbrücks Markenzeichen werden

Das Werk ist fast 2800 Seiten stark. Und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zeigte sich wild entschlossen, es nicht nur zum "Markenzeichen" der Großen Koalition zu machen, sondern auch zu seinem eigenen.

Berlin. Zum Auftakt der viertägigen Haushaltsberatungen des Bundestages verteidigte der "Kassenwart" gestern den Etatentwurf für 2009 gegen alle pflichtgemäße Kritik der Opposition. Zwar drohe der Wirtschaft ein Abschwung, aber Pessimismus sei fehl am Platze, lautete sein Credo. "Eine Wirtschaft mit positiver Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist nicht in der Rezession", so der Minister.

Nun ist die Wirtschaft allerdings schon im zweiten Quartal geschrumpft. Sollte sich das in den Monaten April bis Juni wiederholt haben, wäre die Definition einer Rezession erfüllt. Doch das sind Lehrbuchweisheiten. Steinbrück geht es um die politische Deutung, zumal es der letzte Etat ist, den die Große Koalition bis zur nächsten Bundestagswahl unter Dach und Fach bringen wird. Und zumindest auf dem Papier ist der Haushalt so gestrickt, dass er trotz zunehmender Risiken den wohl wichtigsten politischen Anspruch von Schwarz-Rot erfüllt: 2011 will der Bund seine Ausgaben wieder ohne neue Schulden finanzieren. Es wäre das erste Mal seit 42 Jahren. Das sei die "einzige Null", auf die man in der großen Koalition gemeinsam stolz sein könne, sagte Steinbrück.

Für 2009 stehen aber immer noch Kredite von 10,5 Milliarden Euro in seinem Etatplan. Die Haushaltspolitiker der Koalition wollen diese Zahl allerdings noch in den einstelligen Milliardenbereich drücken. Ob dem Finanzbedarf damit am Ende wirklich Genüge getan ist, hängt vom weiteren Konjunkturverlauf ab.

Steinbrück räumte Risiken etwa wegen der internationalen Finanzmarktkrise ein, zeigte sich aber trotzdem optimistisch, dass die politischen Reformen der vergangenen Jahre einen stärkeren Einbruch verhindern können. "Die deutsche Wirtschaft ist wesentlich wettbewerbsfähiger und robuster als vor fünf Jahren", erklärte der Minister.

Die Opposition zeichnete ein gänzlich anderes Bild von Steinbrücks Wirken. Von einem Sparhaushalt könne keine Rede sein, kritisierte der Haushaltsexperte der FDP, Jürgen Koppelin. Vielmehr stiegen die Ausgaben kräftig an, und der Minister nehme neue Schulden auf. Und das obwohl die Regierung etwa über eine höhere Mehrwertsteuer "beim Bürger ordentlich abkassiert" habe. Auch der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Alexander Bonde, warf der Koalition mangelnden Sparwillen vor. Unter Konsolidierung verstehe Schwarz-Rot "das Geld ausgeben in alle Richtungen". Dass sich die Große Koalition dabei selbst nicht immer grün ist, deutete Michael Meister von der CDU an. Er hätte sich einen stärkeren Konsolidierungsanspruch gewünscht, sagte der Finanzpolitiker in Richtung Steinbrück. Außerdem bekräftigte er den Beschluss seines Fraktionsvorstandes, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte auf 2,8 Prozent vom Bruttolohn zu senken.

Am heutigen Mittwoch wird die Haushaltdebatte mit der so genannten Elefantenrunde fortgesetzt.

Meinung

Hoffen auf die Zukunft

Der Bundeshaushalt wird gern als Schicksalsbuch der Nation bezeichnet. Für die Große Koalition ist der jüngste Etatentwurf auch so etwas wie ein finanzpolitisches Abschlusszeugnis. Geht es doch um die Zahlenreihen für das kommende Jahr der Bundestagswahl. Zieht man einen Strich darunter, dann kann sich die Bilanz der Koalition durchaus sehen lassen. Und trotzdem ist sie nicht gut genug, um Deutschland dauerhaft vor finanzpolitischen Abgründen zu bewahren. Mit einer Summe von 10,5 Milliarden Euro liegt die Neuverschuldung 2009 nur noch bei einem Drittel des Kreditbedarfs im letzten Regierungsjahr von Rot-Grün. 2010 soll sie gar auf den Stand von 1974 sinken und ab 2011 komplett der Vergangenheit angehören. Diese Perspektive klingt zweifellos ermutigend. Steinbrück kann von guten Rahmenbedingungen zehren. Dazu gehört in erster Linie ein länger anhaltendes Konjunkturhoch mit sprudelnden Steuereinnahmen und deutlichen Beschäftigungszuwächsen. Allerdings verdeckt dieser glückliche Umstand auch, dass Schwarz-Rot das Sparen nicht wirklich erfunden hat. Hinzu kommt die größte Belastungs-Orgie in der Geschichte der Bundesrepublik. Da wurde die Mehrwertsteuer erhöht, die Pendlerpauschale gekürzt, der Sparerfreibetrag halbiert und die Eigenheimzulage abgeschafft. Umso mehr müssen sich Union und SPD die Frage gefallen lassen, warum sie bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht ehrgeiziger vorgegangen sind. Zumal auch der schönste Konjunkturhimmel irgendwann an Strahlkraft verliert. Das wohl größte Risiko für Steinbrücks Zahlenwerk ist allerdings die Große Koalition selbst. Gerade im Wahljahr 2009 möchte mancher Minister gern mit Geschenken an die Bürger glänzen. Das kostet natürlich zusätzlich. Bislang setzt die Regierung darauf, dass die Staatseinnahmen schon irgendwie mit den höheren Ausgaben Schritt halten werden. Doch wehe, wenn die Turbulenzen an den Finanzmärkten weiter zunehmen und das Wachstum unerwartet stärker schrumpft als in Steinbrücks Zahlenwerk zugrunde gelegt. So hat es wohl auch Methode, dass der Bundesfinanzminister den Beginn des neuverschuldungsfreien Zeitalters erst auf das Jahr 2011 datiert. Wer weiß schon, wie eine künftige Bundesregierung über seinen Zeitplan denkt. Mit politischer Seriosität hat das wenig zu tun. nachrichten.red@volksfreund.de Extra Eckpunkte des Etatentwurfs 2009: Ausgaben: Als Gesamtausgaben sind im kommenden Jahr 288,4 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind gut 5 Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr und 2,9 Milliarden Euro mehr als zuvor geplant. Bis 2012 beläuft sich die Summe der Mehrausgaben gegenüber der bisherigen Finanzplanung auf 23 Milliarden Euro. Einnahmen: Bisher sind für 2009 Steuereinnahmen des Bundes von 248,7 Milliarden Euro veranschlagt. Schulden: Um die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen, muss der Bund auch 2009 neue Schulden machen. Die Nettokreditaufnahme soll aber um 1,4 Milliarden auf 10,5 Milliarden Euro gedrückt werden.

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