Der Fall Tanja Gräff: Ein wenig Klarheit und noch einige Fragen

Trier · Tanja Gräffs Mutter glaubt nicht, dass die tatsächlichen Geschehnisse rund um das Verschwinden ihrer Tochter jemals geklärt werden.

Damit hatten viele nicht mehr gerechnet: Beinahe acht Jahre nach dem spurlosen Verschwinden der Trierer Studentin Tanja Gräff wurden vor gut zwei Jahren die sterblichen Überreste der jungen Frau entdeckt - unweit der Trierer Hochschule, wo Tanja im Juni 2007 zuletzt lebend gesehen worden war. Am Ende war es Kommissar Zufall, der die Ermittler zu den sterblichen Überresten der jungen Frau führte. Bei Rodungsarbeiten in dem schwer zugänglichen Gelände am Fuß der roten Felsen im Trierer Stadtteil Pallien machten Arbeiter die grausige Entdeckung. Wie sich später herausstellte, hatte die Polizei nach Tanjas Verschwinden am 7. Juni 2007 auch in der unmittelbaren Nähe des späteren Fundorts gesucht - und nichts gefunden.

Die 21-jährige Studentin war bei einem Sommerfest an der Trierer Hochschule zuletzt gesehen worden. Sie hatte in den frühen Morgenstunden noch vom Festgelände aus mit Freunden in der Stadt telefoniert - das letzte Lebenszeichen der jungen Frau.

Schon am Tag nach ihrem Verschwinden begannen Polizei, aber auch Freunde und Bekannte mit der Suche. Das komplette Hochschulgelände und die nähere Umgebung wurden mehrfach durchkämmt, daneben auch etliche andere Gelände, kleinere Seen und die Mosel. Vergeblich.

Bei der spektakulärsten Polizeiaktion wenige Tage nach Tanjas Verschwinden wurde von der Polizei ein halber Stadtteil abgeriegelt. Eine Hundertschaft Polizisten in schusssicheren Westen durchkämmte eine ganze Häuserzeile in Trier-Pallien, nachdem Anwohner angeblich weibliche Hilfeschreie gehört hatten. Später stellte sich heraus, dass es sich um einen etwas heftigeren Streit zwischen Mutter und Tochter gehandelt hatte.

Auf der Suche nach Tanja richtete die Trierer Polizei eine zunächst 30-köpfige Sonderkommission ein. Sämtliche Spuren, denen die Ermittler nachgingen, verliefen im Sande. "Wir tappen im Dunkeln", zog der damalige Leiter der Trierer Mordkommission, Bernd Michels, zwei Jahre nach Tanjas Verschwinden eine wenig optimistisch klingende Zwischenbilanz: "Wir suchen nicht die Nadel im Heuhaufen, wir suchen erst einmal den Heuhaufen selbst."
Nach der Sonderkommission kümmerte sich eine Ermittlungskommission um den bundesweit aufsehenerregenden Vermisstenfall, von Bernd Michels übernahm Christian Soulier die kriminalistische Federführung bei dem Fall.

Aber auch nach fünf Jahren klangen die Meldungen aus Fahnderkreisen eher deprimierend als zuversichtlich. "Es gibt keinen Tatort, keine Spuren, nichts, wo man ansetzen könnte", sagte im Juni 2012 der damalige Leitende Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer in Trier. "Wir haben noch nicht einmal eine Geschehenshandlung über das, was passiert sein könnte", sagte der Leiter des Kommissariats für Kapitaldelikte der Kriminaldirektion Trier, Christian Soulier. Dennoch: Fast schon gebetsmühlenartig betonten die Ermittler auch immer wieder, dass man die Hoffnung nicht aufgebe, den Fall eines Tages aufklären zu können. Da waren die sterblichen Überreste Tanja Gräffs noch nicht gefunden. Tanjas Mutter Waltraud Gräff und ihr Rechtsanwalt Detlef Böhm warfen den Ermittlern im Dezember 2014 schwere Versäumnisse vor. So hätten die Trie8rer Fahnder das Umfeld von Tanjas damals neuem Freundeskreis nie richtig durchleuchtet. Zudem sei einigen Hinweisen nie oder erst viel zu spät nachgegangen worden. "Ich habe kein Vertrauen mehr in die Trierer Polizei", sagte Waltraud Gräff seinerzeit unserer Zeitung und forderte, dass der Fall von einer anderen Dienststelle weiterbearbeitet werden solle.

Der Trierer Chef-Staatsanwalt Peter Fritzen wies die Vorwürfe vehement zurück. Es sei alles unternommen worden, den Fall Tanja Gräff aufzuklären oder zumindest einen erfolgversprechenden Ermittlungsansatz zu finden.
Diesen Ermittlungsansatz schienen die Fahnder im Mai 2015 gefunden zu haben, als die sterblichen Überreste durch Zufall gefunden wurden. Eine 20-köpfige Sonderkommission nahm die Arbeit auf, Dutzende weiterer Hinweise gingen ein, alte Spuren wurden vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse noch einmal neu bewertet.

Bei der spektakulärsten Aktion stellten Ermittler von Polizei und Bundeskriminalamt im Juni 2015 den Absturz der Studentin mit Dummys nach. Ergebnis: Vermutlich stürzte die 21-jährige Studentin in der Nacht ihres Verschwindes 30 Meter in die Tiefe, schlug mehrmals an Felsvorsprüngen an, bis der Körper - 15 Meter über dem Boden - in einer Astgabel hängen blieb. Bei dem Sturz hat sich Tanja Gräff nach Meinung des Mainzer Rechtsmediziners Reinhard Urban potenziell tödliche Verletzungen zugezogen. Wochen oder Monate später, so die Vermutung Urbans, könnte Tanjas Leichnam dann aus der Astgabel zu Boden gefallen sein. Es ist die Stelle, wo Arbeiter viele Jahre später das Skelett, Kleidungsstücke und persönliche Gegenstände der jungen Studentin entdeckten.

Tanjas Mutter Waltraud Gräff glaubt nicht mehr daran, dass die tatsächlichen Hintergründe des Todes ihrer einzigen Tochter eines Tages noch aufgeklärt werden. "Was da passiert ist, werden wir nicht mehr erfahren", sagte sie und ist sich sicher: "Da ist irgendetwas passiert, das aus dem Ruder gelaufen ist."

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