"Der Irak-Krieg hat uns erreicht"

HERRESBACH. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Noch wollen die Menschen in dem Eifelort Herresbach einfach nicht glauben, dass der im Irak vermisste Tobias R. - "einer von uns" - getötet worden ist.

Die Sonne scheint an diesem Osterfest 2004, die Luft ist lau. Doch die Straßen in Herresbach in der Vordereifel sind menschenleer. Osterspaziergänger? Fehlanzeige. Die Bewohner sitzen alle vor den Fernsehern und Radios und saugen jede neue Nachricht auf."Noch ist es nicht endgültig"

"So war es noch nie zuvor in unserem Leben", sagt Richard Heinz mit gebrochener Stimme. Er ist Erster Beigeordneter des Ortes und Vorsitzender des Sportvereins SV Herresbach - und der Nachbar des jungen GSG9-Beamten, von dem es in den Nachrichten heißt, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Kollegen im Irak ums Leben gekommen ist. Fast trotzig sagt Heinz: "Wir haben noch Hoffnung. Noch ist es nicht endgültig." Auch wenn die Wahrscheinlichkeit und immer mehr Berichte dagegen sprechen, die Herresbacher wollen einfach nicht glauben, dass mit Tobias R. einer von ihnen zu den beiden im Irak ermordeten Deutschen zählen soll. Er habe Tobias, den Sohn seines Nachbarn Erich, der auch Herresbachs Ortsbürgermeister ist, groß werden sehen, sagt Heinz. Erst vor zwei Wochen hatte Tobias sich bei der Ersten Fußball-Mannschaft, deren Kapitän er ist, verabschiedet, weil er für drei Monate die Deutsche Botschaft in Bagdad sichern sollte. "Wenn ich zurückkomme, habt Ihr den Klassenerhalt geschafft", hat Tobias seinen Teamkollegen mit auf den Weg gegeben. Alexander Saftig, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Vordereifel, hat Tränen in der Stimme, als er am Telefon den Verdacht bestätigt, mit Tobias R. könnte ein Einwohner seiner VG zu den vermutlich ermordeten deutschen Grenzschutzbeamten zählen. Richard Heinz spricht derweil aus, was den Herresbachern schlagartig klar geworden ist: "Wenn das Furchtbare Wahrheit wird, dann hat der Irak-Krieg uns jetzt erreicht." Bisher habe man die Kämpfe zwar wahrgenommen und ihren Verlauf verfolgt. Doch sei alles fern, "irgendwie wie im Kino" gewesen. Kurz vor Ostern 2004 war Falludscha dann plötzlich ganz nah, hat der Irak-Krieg ein Gesicht bekommen. Das eines jungen Herresbachers. "Wir haben Tobias gesagt, er soll ja vorsichtig sein, immer auf der Hut, niemals leichtsinnig. Mit Selbstmordanschlägen auf die deutsche Botschaft konnte man vielleicht rechnen. Mit so etwas nicht." Auch Richard Heinz verbirgt die Tränen nur mit Mühe. Erste Gerüchte hatten am Gründonnerstag die Runde gemacht, einer aus der Mitte ihres Dorfes könnte zu den beiden wahrscheinlich ermordeten Deutschen zählen. Seit Mittwoch gilt Tobias R. als vermisst. Konkret wurde die Angst, als die Fernsehanstalten Bilder der beiden Männer zeigten und man in Herresbach Tobias R. auf den Bildern erkannte. Die Stimmung in der Ostermesse am Sonntagmorgen in der kleinen Kirche war gedrückt, nicht wie sonst im katholischen Herresbach voll der Freude über die Auferstehung Christi. Pfarrer im Ruhestand Alois Richter las die Messe. Zusammen mit derGemeinde betete er für Tobias R.; für die minimale Chance, dass sich die furchtbare Nachricht doch nicht bewahrheiten möge.

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