Der "Kartoffelkrieg"

Warschau. (dpa) Kurt Tucholskys Satz, dass Satire "alles" darf, gilt bekanntlich nicht überall. Eine taz-Satire beschäftigt derzeit die Warschauer Staatsanwaltschaft.

Derzeit ermittelt die Warschauer Staatsanwaltschaft im Streit um eine "taz"-Satire über den polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski. Die Ermittler sollen prüfen, ob es sich bei dem Text über die "neue polnische Kartoffel" um eine Beleidigung des Staatsoberhauptes handelt. Nach polnischem Recht ist das eine Straftat und kann mit zwei Jahren Gefängnis geahndet werden. Przemyslaw Gosiewski, der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) forderte bereits einen internationalen Haftbefehl gegen den Autor, der vermutlich nicht einmal ansatzweise ahnte, welche Folgen sein Artikel in Polen auslösen könnte. Denn nachdem der Text in polnischer Übersetzung auf der Webseite des polnischen Außenministeriums veröffentlicht wurde, schlugen die Wogen hoch. Lech Kaczysnki sagte seine Teilnahme am Besuch des Gipfeltreffens des Weimarer Dreiecks ab - liberale Medien spekulierten, aus Verärgerung über den Text. Der Sprecher des Außenministeriums trat zurück - angeblich ohne Zusammenhang mit der Veröffentlichung der "taz"-Satire auf der Ministeriums-Webseite "Die Welt über uns". Diese Seite ist seit dem Vorfall nicht mehr zugänglich - die Abgeordneten des oppositionellen Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD) wollten nun wissen, ob ein Zusammenhang bestehe. SLD-Generalsekretär Grzegorz Napieralski bezeichnete die Sperrung der Seite als Zensur. "Sie wurde zu dem Zeitpunkt vorgenommen, als ein für die Regierung unangenehmer Artikel erschien." Inzwischen sind auch die deutschen Medien in den Fokus geraten. Der an der Universität Bremen lehrende und regelmäßig in konservativen polnischen Medien publizierende Professor Zdzislaw Krasnodebski sieht schon seit Monaten eine regelrechte Kampagne deutscher Medien gegen die nationalkonservative Regierung von Jaroslaw Kaczynski, dem Zwillingsbruder des Staatspräsidenten. In die gleiche Kerbe hieb vor wenigen Tagen die ultra-katholische Zeitung "Nasz Dziennik". "Namen, die man sich merken sollte", empfahl das mit einer Auflage von etwa 150 000 Exemplaren erscheinende Blatt und listete alle in Warschau akkreditierten Journalisten deutscher Medien auf. Die Zeitung gehört zum Medienkonzern von Pater Tadeusz Rydzyk, dessen fundamentalistischer Sender "Radio Maryja" im März wegen antisemitischer Programminhalte scharfe Reaktionen des Vatikans ausgelöst hatte. Mit ihrer Weigerung, Zugeständnisse an die deutsche Politik zu machen, hätten die Brüder Kaczynski die deutschen Journalisten gegen sich aufgebracht, "die sich daran gewöhnt hatten, dass man die Polen ungestraft beleidigen darf".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort