Der Mega-Markt

TRIER. Sie sind eigenständig, verreisen und haben Geld: Den Senioren in Deutschland geht es so gut wie nie. Doch wie lange können sie ihren Lebensstandard halten?

Die Alten sitzen nicht auf ihrem Geld. Sie wollen sich von ihrem oft hart erspartem Vermögen etwas gönnen. Die Senioren verfügen heute über eine Wirtschaftskraft, die von den meisten noch unterschätzt wird. Das Düsseldorfer Familienministerium fand heraus, dass allein in Nordrhein-Westfalen 100 000 Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, wenn die Kaufkraft der Alten mobilisiert werden könnte. Die Hälfte aller über 50-Jährigen will ihr Geld ausgeben - und zwar für Unabhängigkeit, Mode, Mobilität und vor allem für Reisen. "Verzicht", so heißt es in der Studie des Familienministeriums, "ist in dieser Generation nicht mehr so angesagt wie in früheren". Forscher sprechen vom Wachstumsmarkt Senioren oder von der Wirtschaftskraft Alter. Kaum einer der Senioren fühlt sich alt. Sie sind so mobil wie keine ältere Generation vor ihnen. Viele haben Führerschein sowie Auto und reisen viel. "Freiheit statt Geborgenheit", bezeichnet die Gesellschaft für Konsumforschung (GFK) diese Veränderungen: "Während sich die Älteren früher im Schoß der Familie bis zu ihrem Lebensende geborgen fühlen konnten, sind sie heute häufig auf sich selbst gestellt", so die GFK in einer Senioren-Studie. Doch das habe nicht nur Nachteile: Verpflichtungen entfielen, die Senioren hätten so die Freiheit, den dritten Lebensabschnitt nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Doch was wünscht sich die so genannte Generation 50 plus wirklich? Klar ist: Das Klischee des traditionsverhafteten, innovationsfeindlichen Stubenhockers ist überholt. Die mehr als 50-Jährigen geben ihr Geld in erster Linie dafür aus, um ihren Lebensstandard zu erhalten und unabhängig zu bleiben. Ihr zum Teil beachtliches Vermögen haben sich die meisten hart erarbeitet und zusammengespart. Durch den Besitz von Grundstücken, Wohnungen oder Häusern, aber auch durch Aktiengewinne und andere Geldanlagen haben sie ihr Geld häufig beachtlich vermehrt. Daher ist es nicht verwunderlich, was die Kölner Unternehmensberatung BBE herausfand: 91 Prozent der über 60-Jährigen bewerten ihre finanzielle Situation als sehr gut bis zufrieden stellend. Doch wie lange wird dieser Lebensstandard zu halten sein? "Das sinkende Rentenniveau, die steigende Lebenserwartung sowie ein verändertes Freizeit- und Konsumverhalten der zukünftigen Alten lassen den Geldbedarf der Rentnerhaushalte deutlich steigen", warnt das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA). In sieben Jahren würden die verfügbaren Einkommen der Rentner nur noch 88 Prozent, 2020 sogar nur noch 82 Prozent des finanziellen Bedarfs der Senioren decken, heißt es in einer DIA-Studie. Noch ist Altersarmut jedoch kein Massenphänomen. Während die übrige Wirtschaft sich eher auf die Jüngeren konzentriert, hat der Finanzdienstsektor die Alten entdeckt. Die Senioren werden zu begehrten Kunden von Banken, Versicherern und Bausparkassen. Und das, obwohl gerade diese Unternehmen die Älteren früher gerne als "schlechtes Risiko" abgetan haben und ihnen ungern etwa Kredite oder Versicherungen verkauft haben. Rainer Reitzler, Veranstalter eines demnächst in München stattfindenden Kongresses für Finanzdienstleister mit dem Titel "Milliardenmarkt Senioren", glaubt an den Mega-Markt: "Allein 200 Milliarden Euro Erbschaftsvermögen und rund 20 Milliarden Euro aus Lebensversicherungen pro Jahr kann keiner mehr vernachlässigen." In der Hälfte der Haushalte werde in den nächsten Jahren eine Lebensversicherung fällig. Es sei an der Zeit, sich mit den Senioren zu beschäftigen. Immerhin seien Idole wie Franz Beckenbauer oder Mick Jagger jetzt auch im "Seniorenalter".

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