Der SPD-Chef und die Widerstände

Kurt Beck reist durchs Land und kämpft gegen schlechte Umfragewerte. Wenige Wochen vor der Landtagswahl in Bayern holt den SPD-Vorsitzenden dabei immer wieder die Hessen-Wahl ein.

Berlin. "Schön, dass Sie sich die Zeit nehmen, auch mal im Underground vorbeizuschauen", sagt Steffen Höffler grinsend. Es klingt wie eine Spitze gegen Kurt Beck. Doch für den SPD-Vorsitzenden wird sie zur Steilvorlage, um aus alten beruflichen Zeiten zu plaudern. Bereits in der Vorwoche war der Pfälzer "nah bei den Menschen". So heißt eine Veranstaltungsreihe der gebeutelten Partei, die Beck unter reger Anteilnahme von Kameras und Mikrofonen nach Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern führte. Nun schließt sich fast nahtlos seine Sommerreise an. Begleitet von zwei Dutzend Berliner Journalisten steht Beck im Keller der Medinos-Kliniken im thüringischen Sonneberg und lässt sich von Höffler die elektrischen Anlagen erklären. "Was man in der Elektrotechnik lernt, ist auch gut in der Politik zu gebrauchen", entgegnet Beck, der mal selbst Elektriker gelernt hat. Unvermittelt kommt er auf das Kirchhoffsche Gesetz zu sprechen: Wenn man Widerstände überwinden wolle, müsse man sie parallel schalten. "Dann wird der Gesamtwiderstand kleiner als der kleinste", triumphiert Beck. Wenn es doch immer so einfach wäre. An Widerständen herrscht in Becks Parteivorsitzenden-Dasein wahrlich kein Mangel. Nur mit ihrer Überwindung hapert es.

Während seiner Sommertour im Vorjahr sah sich Beck immer wieder mit Zweifeln an seiner Führungsstärke konfrontiert. Dann verschaffte sich der Pfälzer den ersehnten Respekt, als er gegen den Widerstand Franz Münteferings die Agenda 2010 rupfte und eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I durchsetzte.

Doch sein Schlingerkurs beim absehbaren Linksbündnis in Hessen machte Becks Reputation wieder zunichte. Fortan war der Vorsitzende so dünnhäutig, dass er sich bei Medienvertretern bitterlich über die schlechte Presse beklagte. Zumindest solche Ausbrüche sind jetzt verschwunden. Über böse Fragen lächelt sich Beck entweder professionell hinweg, oder er sagt, dass bereits alles dazu gesagt sei. Regieren mit den Linken? "Auf Bundesebene haben wir andere Einschätzungen, die sind getroffen".

Schlechte Umfragewerte für die SPD? "Ach wissen Sie, wenn Forsa recht gehabt hätte, wäre ich schon lange Oppositionsführer in Rheinland-Pfalz".

Die politische Wiederkehr Franz Münteferings? "Er war nie weg gewesen. Alles andere wird intern besprochen." Kein Zweifel, Kurt Beck hat sich gut im Griff. Er wirkt gelassen und gelöst. Und vielleicht war ja gerade die Dauerpräsenz der lästigen Medien dafür ein Schulungsprogramm.

Den Sozialdemokraten ist damit allerdings nicht wirklich geholfen. Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie, der Beck auf seiner Tour begleitet, erzählt vom Unbehagen seiner Genossen angesichts der politischen Vorgänge in Hessen. Nicht, dass die SPD dort die Linken links liegen lassen solle. Über dieses Stadium ist man im Osten des Landes bekanntlich längst hinaus. Viel schlimmer wiegt aus Matschies Sicht der Glaubwürdigkeitsverlust, weil die Hessen-SPD (und auch Kurt Beck) vor der Wahl ganz anders über die Lafontaine-Truppe gesprochen habe als jetzt.

In Bayern fürchten die Sozialdemokraten deshalb bei der Landtagswahl am 28. September um ihre ohnehin schon dürftigen Chancen. "Die Leute fragen viel zum Thema Hessen nach", räumt Spitzenkandidat Franz Maget zerknirscht ein. Nur Kurt Beck verliert darüber kein Wort. Bei einem Wahlkampfauftritt vor rund 200 Parteimitgliedern im oberfränkischen Coburg redet er lieber über Mindestlöhne, die Schwächen der CSU und die Tücken der Zeitarbeit. Das kommt zwar auch gut an. Aber nicht bei allen. "Ich hätte mir schon gewünscht, dass er klar Position bezieht", klagt eine örtliche SPD-Abgeordnete. "Es hilft uns jedenfalls nicht weiter, was in Hessen passiert."

Bei der Wahl vor fünf Jahren kamen die Sozialdemokraten in Bayern nur auf 19,6 Prozent. Kurt Beck zeigt sich aber davon überzeugt, dass es diesmal "ein beachtliches Ergebnis" für die Bayern-SPD geben werde. Was er darunter versteht, sagt er nicht. Immerhin legt sich auch Franz Müntefering ins Zeug. Vergangene Woche hat er Maget angerufen. Für den 3. September wurde ein WahlkampfAuftritt Münteferings in München vereinbart. Der Krankenhaus-Techniker Steffen Höffler war übrigens schwer beeindruckt von Becks Elektriker-Wissen. Nur politisch hat der Thüringer Zweifel. "Wahlkampf ist ja ganz schön", so Höffler über Becks Kurzbesuch in Sonneberg. "Die Zeit danach sieht allerdings immer anders aus. Aber das ist nicht nur das Problem von Herrn Beck."

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