Der Schwindel mit den Pillen

TRIER. Den Anbietern der angeblichen Wunder-Schlankheitspillen aus China ist es anscheinend zu heiß geworden. Einige haben gestern ihr Produkt – zumindest vorerst – vom Markt genommen. Andere wussten nichts von einer Warnung des Landesuntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz (Lua).

Morgens wurden noch chinesische Schlankheitspillen mit dem Namen Li-Da-Fuling auf der Internet-seite angeboten. Am Mittag wurde unter der gleichen Adresse "Haarwiederwachstumsessenz" - "hergestellt aus Dutzenden von traditionellen chinesischen Arzneimitteln mit hohen Biotechnik-Techniken" - für 39,99 Euro und "Zahnpasta vom Bambussalz" für 9,99 Euro verkauft. Die Warnung des Landesuntersuchungsamtes scheint einige Anbieter der verbotenen Schlankheitskapseln, die das verschreibungspflichtige Sibutramin enthalten, zumindest kurzzeitig davon abzuhalten, die Gelatine-Pillen weiter anzubieten und stattdessen auf andere angebliche Wunderpräparate aus ihrem anscheinend reichhaltigen Warenkorb zurückzugreifen. Verschwunden war damit auch das vierseitige, nur schlecht zu lesende Tüv-Zertifikat, mit dem Lida-Fuling für die Pillen warb. Doch nicht bis zu allen Anbietern hatte sich die am Tag zuvor herausgegebene Warnung des Lua vor den möglicherweise krank machenden Pillen herumgesprochen. Der Betreiber eines Online-Shops, der ausschließlich die Li-Da-Pillen verkauft, sagt gegenüber unserer Zeitung, er wisse nichts von einer Warnung. "In Deutschland wird immer alles schlecht gemacht. Meine Mutter hat die Pillen auch genommen, die hat keine Nebenwirkungen bemerkt", sagt der Betreiber des Internet-Handels, Alexander K. aus dem saarländischen Riegelsberg, unserer Zeitung. Er verkaufe die Pillen erst seit ein paar Tagen. Kurios: Die von ihm betriebene Seite, die in Deutsch und Russisch im Netz ist, besteht nach unseren Recherchen mindestens seit Mai diesen Jahres. Unumwunden gibt Alexander K. zu, das vierseitige Tüv-Zertifikat, das offensichtlich identisch ist mit dem anderer Online-Pillen-Shops, aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Eine Aussage, die den Tüv Rheinland auf den Plan ruft. Denn von der zu dem Unternehmen gehörenden Product Safety GmbH soll die Urkunde stammen. "Wir haben denen kein Zertifikat ausgestellt", bestätigte Ralf Diekmann, beim Tüv Rheinland zuständig für Produktsicherheit und -qualität. Zunächst konnte man bei dem Kölner Unternehmen allerdings nicht ausschließen, eventuell doch ein solches Zertifikat für die Hersteller der Schlankheitspillen ausgestellt zu haben. Denn der Tüv Rheinland ist mehr als ein Technischer Überwachungsverein, der Plaketten für Autos verteilt. Er ist ein weltweit operierendes Unternehmen: 8200 Mitarbeiter, 300 Niederlassungen in 50 Ländern, Jahresumsatz 700 Millionen Euro. Ein Schwerpunkt der Arbeit: Die Zertifizierung von Medizinprodukten in verschiedenen Ländern. Darunter fallen auch Nahrungsergänzungsmittel und Präparate, die keine chemisch-biologische Wirkung wie Arzneimittel haben und daher auch kein aufwändiges Zulassungsverfahren durchlaufen müssen - zu erkennen an dem Kürzel "CE" auf der Packung. So ist der Tüv Rheinland of North America von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA damit beauftragt, bestimmte Mittel zu überprüfen und zuzulassen. "Ein solches Zertifikat heißt nicht, dass die Mittel medizinisch unbedenklich sind", warnt Dietrich Demmer, beim Lua zuständig für Arzneimittel und Kosmetika. Wer Diät-Pillen nehmen wolle, solle sich in der Apotheke oder vom Arzt beraten lassen: "Aber Hände weg von dubiosen Internet-Händlern." Trotzdem wurde gestern in Internet-Auktionen weiter das angebliche Wundermittel ver- und gekauft.

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