Der Topf, in dem kaum echtes Geld liegt

Koblenz · Das höchstrichterliche Urteil zum Pensionsfonds wirft neue Fragen auf. Wie reagiert das Land?

Koblenz (dpa) Die höchsten Richter in Rheinland-Pfalz haben den Pensionsfonds für Landesbeamte und den Landeshaushalt 2014/2015 für verfassungswidrig erklärt. Das Land darf nur so viele Schulden machen, wie es investiert. Aber in den Pensionsfonds flossen als Investitionen deklarierte Darlehen. Das schuf mehr Spielraum bei einer Verschuldung für andere Projekte. Laut dem historischen Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VGH) in Koblenz vom Mittwoch überschritt das Land damit verfassungswidrig seine Kreditobergrenze.Warum ist der Pensionsfonds eingerichtet worden? Auf die Bundesländer kommen immense Pensionslasten zu. Rheinland-Pfalz sammelte daher seit 1996 zunächst mit Einsparungen Geld für spätere Pensionen in einem neuen Fonds an. 2006 drang der damalige Finanzminister Ingolf Deubel (SPD), der später wegen der Finanzpleite beim Ausbau des Nürburgrings seinen Hut nahm, auf die Umwandlungen der Zuflüsse in Darlehen. Nominell wuchs die Geldsumme im Pensionsfonds bis auf heute 5,1 Milliarden Euro an. Tatsächlich liegen aber überwiegend Schuldverschreibungen des Landes in dem Topf. Denn das Land lieh sich fast alle Einzahlungen sofort wieder zurück - und zahlt dafür marktübliche Zinsen an den Fonds. Was passiert mit den verfassungswidrigen Einzahlungen? Diese belaufen sich auf 2,5 Milliarden Euro. Laut VGH müssen sie "rückabgewickelt werden". Der Präsident des Landesrechnungshofs, Klaus Behnke, sagte: "Sie müssen aus dem Fonds raus." Da in dem Topf ohnehin kaum echtes Geld liege, müssten die 2,5 Milliarden nur "ausgebucht" werden. Eine andere Möglichkeit wäre, den Fonds aufzulösen. Wie reagiert Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) auf das Urteil? Sie kündigte eine Neuregelung an. Bei der jetzt anstehenden Prüfung sei das ganze Spektrum von Möglichkeiten offen. Dazu gehöre eine Neuregelung für den Pensionsfonds ebenso wie eine Auflösung mit einer anderen Form der Versorgungsrücklage. Es gebe nun Rechtssicherheit. "Meine Aufgabe ist es jetzt, die nötigen Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen." Das Land müsse sich auf die steigenden Versorgungsausgaben vorbereiten. Wirkt sich das Urteil auf die laufenden Haushaltsberatungen aus? In Kürze will der Landtag den Doppelhaushalt 2017/2018 verabschieden. CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner versicherte: "Das Urteil wird Auswirkungen auf die aktuellen Haushaltsberatungen haben." Der Präsident des Steuerzahlerbunds Rheinland-Pfalz, Ex-Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), forderte eine zügige Reform des Pensionsfonds und den sofortigen Stopp aller kreditfinanzierten Zuführungen. 2016 hatte das Land diese Geldflüsse immerhin von rund 500 Millionen auf 70 Millionen Euro im Jahr gesenkt. Was sagt die CDU als erfolgreiche Klägerin (Antragstellerin)? Schon vor zwei Jahren, also in der vorigen Wahlperiode, reichte die CDU-Opposition im Landtag ihren Normenkontrollantrag beim VGH ein. Warum das höchste Gericht so lange brauchte, blieb offen. Bereits 2011 hatte der Rechnungshof eine ähnliche Kritik wie die CDU am Pensionsfonds formuliert. Nun sagte CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner: "Ich bin froh über dieses Urteil." Sie erwarte mit Spannung die Reaktion der Regierung. Der VGH habe deren "Pensionslüge" bestätigt. "Die Landesregierung hat den Beamtinnen und Beamten eine Pensionsvorsorge vorgegaukelt, die nicht vorhanden ist." Welche andere verfassungsrechtliche Niederlage hat das Land kürzlich erlitten? Das Bundesverfassungsgericht beanstandete die Besoldung leitender Beamten und Richter in Rheinland-Pfalz. Dabei ging es um eine 2008 eingeführte "Wartefrist" bei Beförderungen. Seither wird bei der Übertragung von Ämtern ab den Besoldungsgruppen B 2 oder R 3 in den ersten zwei Jahren nur das Grundgehalt der nächst niedrigeren Besoldungsgruppe gezahlt. Diese Regelung verstößt laut den Karlsruher Richtern gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums. Fragen & Antworten Altersvorsorge für Landesbeamte DER PENSIONSFONDS RHEINLAND-PFALZ

Extra

(dpa) Für die Altersversorgung seiner Beamten und Richter hat Rheinland-Pfalz 1996 eine eigene Rücklage, einen Pensionsfonds gegründet. Ziel war es, rechtzeitig vorzusorgen, wenn mit steigender Zahl der Beamten die Haushaltsbelastungen für die Zahlung der Pensionen deutlich zunehmen würde. Im Topf für die Altersversorgung der Beamten sind inzwischen mindestens 5,1 Milliarden Euro enthalten. Der überwiegende Teil des Geldes ist in Schuldverschreibungen des Landes angelegt. Solche Wertpapiere gibt Rheinland-Pfalz ebenso wie andere staatliche Einrichtungen aus, um sich Kapital zu leihen. Dem Besitzer der Schuldverschreibung zahlt das Land dann jedes Jahr einen festen Zinssatz. Die Mittel des Pensionsfonds sind somit einerseits Forderungen, andererseits Schulden des Landes.

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