Der beliebte Kanzler

BERLIN. Krise überstanden - so fühlt sich Bundeskanzler Gerhard Schröder im Moment zumindest. Denn nachdem sein Antikriegskurs von Frankreich und Russland unterstützt wird, feierten ihn jetzt auch seine Parteigenossen.

Der Kanzler war guter Dinge am Montagabend in der SPD-Fraktion. Mittags hatten sich die Linken im Parteivorstand kooperativ gezeigt, nachmittags hatten die Präsidenten Jacques Chirac und Wladimir Putin in Paris die "gemeinsame Erklärung" der US-Kontrahenten Frankreich, Deutschland und Russland vorgelegt, in der eine "Alternative zum Krieg" formuliert wird. Und als dann die Fraktion ihren Friedensfreund auch noch überschwänglich feierte, war Gerhard Schröder überzeugt, den tiefsten Punkt seiner schweren Krise überstanden zu haben. Da störten nicht mal die harschen Worte des Außenpolitikers Hans Ulrich Klose, der als einziger Genosse den Irak-Kurs der Regierung kritisierte. Eine seltene Erfahrung des Kanzlers, "fast auf Händen getragen" zu werden (Fraktionsvize Ludwig Stiegler). Eindringlich hatte er nicht nur vor den unabsehbaren Folgen eines Krieges gewarnt, sondern zugleich auf die "historische Weichenstellung" hingewiesen, um die es gehe: "Wollen wir eine multipolare Welt, oder wollen wir eine Welt, in der nur noch eine Macht bestimmt?" Die Frage war rhetorisch gemeint, denn die Antwort war klar. Und weil sich der Bundeskanzler anschickt, der Weltmacht USA die Stirn zu bieten, hatten ihn die Genossen, obwohl sie mit seinem innenpolitischen Kurs unzufrieden sind, wieder lieb. Am Dienstag transportierte das Kanzleramt dann die Meinung, Deutschland sei keineswegs so isoliert, wie die Opposition behaupte. Ganz im Gegenteil: Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen werde eine deutliche Mehrheit für die deutsch-französische Linie sichtbar, hieß es. Von den 15 Mitgliedern des Rates stünden lediglich Großbritannien, Spanien und Bulgarien auf der Seite der USA. Deshalb setze man große Hoffnungen in die diplomatische Initiative der "Gleichgesinnten". Kernpunkte des Antrags, der am Freitag im Sicherheitsrat eingebracht werden soll: Massive Ausweitung der Inspektionen; Einrichtung so genannter Regionalbüros im Irak, um die militärischen Anlagen dauerhaft zu kontrollieren; verbesserter Informationsaustausch der Geheimdienste; Bestallung eines festen UN-Beauftragten für den Irak; Einbindung der Nachbarstaaten, um den Schmuggel von Waffen und "dual use"-Gütern (Mittel, die friedlich und militärisch nutzbar sind) zu unterbinden. Ein Kanzler-Berater versuchte gestern, die Gefahr einer Spaltung der Nato durch das Veto (der Neinsager-Länder Frankreich, Belgien und Deutschland) zu "entdramatisieren". Entgegen den Behauptungen der USA und der deutschen Opposition wolle die Bundesregierung keineswegs dem Nato-PartnerTürkei die Hilfe verweigern. Erstens sei die Lieferung der "Patriot"-Abwehrraketen schon beschlossene Sache; zweitens sei es bei der Forderung der USA nach Schutzmaßnahmen für die Türkei eher darum gegangen, "die Nato hinter einen Einsatz zu bringen, den wir im Moment nicht für gerechtfertigt halten". Schweres Geschütz gegen die Bundesregierung fuhr die CSU auf. Der Kanzler müsse das Veto in Brüssel "sofort zurücknehmen", forderte Ministerpräsident Edmund Stoiber. Schröder habe mit seinem Verhalten "die Axt an die Wurzeln des transatlantischen Bündnisses gelegt". Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Michael Glos. Er forderte dringend Neuwahlen, denn Schröder und Fischer "müssen weg, um jeden demokratischen Preis". SPD-Generalsekretär Olaf Scholz zahlte mit gleicher Münze zurück: Glos instrumentalisiere die Frage Krieg oder Frieden "kleinkariert" für innenpolitische Zwecke. Mit ihrer "blinden Gefolgschaft" für die USA schade die Union den Interessen des Landes. Im übrigen hätten sich über 80 Prozent der Deutschen gegen den "kriegsbefürwortenden Kurs" der Union ausgesprochen.

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