Der liebe Gott und die Kreide

Schlagabtausch zu den Landesfinanzen: Die SPD-Regierung und die aus CDU und FDP bestehende Opposition haben sich am Mittwoch im Mainzer Landtag bei der Haushaltsdebatte gegenseitig mit Vorwürfen überschüttet.

Mainz. Seit 14 Jahren gilt Ministerpräsident Kurt Beck (59) in Rheinland-Pfalz politisch als das Maß der Dinge. Im TV-Interview hat der gewichtige Pfälzer kürzlich verkündet, er wolle das Land auch über 2011 hinaus regieren, sofern ihm der liebe Gott keine Grenzen setze. CDU-Chef Christian Baldauf (41) hat da andere Vorstellungen. Er beginnt seinen Auftritt mit den Worten: "Ihre Gottesfürchtigkeit in Ehren - aber dass der Wähler ihnen spätestens 2011 Grenzen setzt, dafür werden wir schon sorgen."

Wie die Union das anstellen will, verraten unter anderem kleine Kreidestückchen, die eine Helferin auf der Tribüne verteilt. "Rheinland-Pfalz steht mit 26 Milliarden Euro in der Kreide. Raus aus den Schulden! 1000 zusätzliche Lehrer! Schüler besser fördern!", ist auf der Banderole zu lesen. Das entspricht exakt der Stoßrichtung des CDU-Vormanns. Baldauf teilt mächtig aus und schlägt immer wieder in die gleiche Kerbe: Die Finanzpolitik von Kurt Beck sei "auf Treibsand gebaut". Krankenhäuser, Schulen, Hochschulen, Straßen, Verwaltungsbauten - alles werde auf Pump finanziert. Die Regierung investiere verzweifelt viel Geld in Imagekampagnen. Auf der Homepage im Internet könne er Türchen im Adventskalender öffnen, während leise Schneeflöckchen rieselten, lästert Baldauf. "Ich freue mich schon auf den 24. Dezember. Da springt mir wahrscheinlich Kurt Beck entgegen."

Der Gescholtene erträgt die Attacken mit demonstrativer Gelassenheit. Beck schüttelt mehrfach den Kopf und lächelt leise vor sich hin. Es sind an diesem Tag andere, die ihn herausfordern und sogar zu emotionalen Ausbrüchen reizen. Zum Beispiel FDP-Fraktionschef Herbert Mertin sowie dessen Kollegen Günther Eymael und Jürgen Creutzmann mit Zwischenrufen. Mertin klagt, die Landesregierung habe "mit ihrer Schuldenpolitik keine Vorsorge für Krisenzeiten getroffen" und verfehle "das Ziel gerechterer Chancen in der Schul- und Hochschulpolitik". Mehr noch trifft er den Ministerpräsidenten mit der Aussage, die Steuern müssten gesenkt werden, weil nur das sozial gerecht sei.

Bei seiner Erwiderung tritt Kurt Beck ganz als Sozialdemokrat auf: Steuersenkungen kämen nicht allen Menschen zugute, sehr wohl aber die finanziellen Entlastungen der Landesregierung für einkommensschwache Familien. "Das ist sozial gerecht!", platzt es aus ihm heraus. Das Wichtigste sei, die Gesellschaft zusammenzuhalten und "Politik nicht nur für die Menschen an der oberen Skala zu machen". Ansonsten gibt sich der Regierungschef staatstragend. Die "grundsätzlichen Linien der Politik" müssten klar sein. Die Konversion zu gestalten und Rheinland-Pfalz mit bildungspolitischen Anstrengungen und Investitionen in die Infrastruktur in der Mitte Europas zu positionieren, das seien die Aufgaben der Landesregierung.

Den Vorwurf des "Schuldenmachers" lässt Kurt Beck nicht auf sich sitzen. Gäbe es die Kosten für die deutsche Wiedervereinigung nicht, "hätten wir schon 1997 einen ausgeglichenen Haushalt gehabt". Und das Land habe kräftig in die Umwandlung der 600 militärischen Liegenschaften investiert. "Sonst wären Zweibrücken oder Hahn heute noch Brachen."

Die CDU und ihren Chef, die er bis dahin kaum erwähnt hat, bedenkt Kurt Beck schließlich doch noch. Er habe sich sämtliche CDU-Anträge im Detail angesehen und dabei festgestellt: "Sie haben sich kapital verhauen." Bei den Deckungsbeiträgen habe sich die Union für 2009 um 40 Prozent und für 2010 um 27 Prozent verrechnet, behauptet der SPD-Chef genüsslich - und erntet wütende Proteste. "Das ist eine Unverschämtheit. Kurt Beck liegt voll daneben. Wir haben seriös gerechnet", hält CDU-Mann Gerd Schreiner dagegen. Zu diesem Zeitpunkt sind kaum noch Abgeordnete im Saal. Ob sie Rücksprache mit dem lieben Gott halten, sich die Kreidestückchen ansehen oder lieber mittagessen? Das volle Landtagsrestaurant spricht eher für letzteres.

Hintergrund

Die Eckdaten des Haushalts 2009 und 2010: Nettokreditaufnahme: 694/673 Millionen Euro Gesamteinnahmen: 12/12,3 Milliarden Euro Steuereinnahmen: 9,9/10,2 Milliarden Euro Gesamtausgaben: 12,7/13 Milliarden Euro Personalausgaben: 4,9 und 5 Milliarden Euro Zinsausgaben: 1,2/1,2 Milliarden Euro Verwaltungsausgaben: 752/768 Millionen Euro Investitionen: 1,3/1,3 Milliarden Euro (fcg)

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