Der neue Biosprit kommt vorerst nicht

Vom einstigen Pop-Beauftragten der SPD zum "Flop-Minister" des Kabinetts - so süffisant schrieben bereits einige Zeitungen über Sigmar Gabriel (SPD), und auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla griff das Stichwort dankbar auf. Wegen des Scheiterns seiner Beimischungspläne für Biosprit ist der Umweltminister in die Negativschlagzeilen geraten. Gabriel korrigierte seinen Kurs gestern offensiv und sparte dabei nicht mit Attacken auf seine Kritiker.

Berlin. Weil der Verband der Importeure ausländischer Autos dem Ministerium jetzt meldete, dass 3,4 Millionen ihrer Fahrzeuge mit Ottomotoren Sprit mit einem zehnprozentigen Bioethanol-Anteil (E 10) nicht vertragen, verzichtet Gabriel auf die Umsetzung dieser Pläne. Denn die Fahrer müssten dann teures Super Plus tanken. Die deutschen Hersteller vermeldeten nur 189 000 Fahrzeuge, die nicht geeignet wären. Damit hätte der Minister leben können; er hatte schon Anfang des Jahres gesagt, erst ab einer Million betroffener PKW-Besitzer werde er auf die neue Beimischungsverordnung verzichten. Es bleibt nun beim fünfprozentigen Bioethanol-Anteil. Beim Diesel soll die Anhebung auf sieben statt fünf Prozent Beimischung jedoch umgesetzt werden. Eineinhalb Jahre lang hätten weder die Hersteller noch die Mineralölwirtschaft noch der ADAC irgendetwas gesagt, beschwerte sich der Minister. "Es gab nicht den geringsten Hinweis." Bei den Importeuren unterstellte Gabriel mangelnde eigene Informationen, der Mineralölwirtschaft jedoch, dass ihr die jetzige Situation ganz recht komme. Er und Agrarminister Horst Seehofer (CSU) seien vielleicht zu gutgläubig gewesen, räumte Gabriel ein.

Viel Verlogenheit in der Debatte

Dem Bundestag gab er eine Mitschuld. Der habe die gesetzliche Quote für Biokraftstoffe eigenmächtig und gegen alle Warnungen seines Ministeriums auf 6,25 Prozent erhöht, was erst die Pläne für neue Beimischungen zur Folge hatte, beschwerte sich der Minister. Die Union habe damit der Landwirtschaft gefallen wollen. Jetzt müsse man wieder auf die ursprünglichen Ziele zurück. Gabriel sprach von "viel Verlogenheit" in der Debatte.

In der Konsequenz kommt die Autoindustrie in die Bredouille. Die europaweit beschlossene Senkung des CO{-2}-Ausstoßes auf durchschnittlich 120 Gramm pro Kilometer müssten die Hersteller jetzt ohne Anrechnung von Biosprit mit rein technischen Mitteln schaffen, meinte Gabriel. Und weil nun die Biokraftstoffe nicht den erhofften Anteil an den erneuerbaren Energien bringen, müsse die Windenergie durch eine "begrenzte Anpassung der Förderung" noch stärker ausgebaut werden, um die Klimaziele der Bundesregierung zu retten.

Generell will der Minister den Einsatz von Biomasse besser kontrollieren. Nach den Hosianna-Rufen früherer Jahre gebe es jetzt eine Art "kreuzigt ihn" gegen diesen Energieträger - vor allem wegen der Abholzung von Regenwäldern, der Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und der fragwürdigen CO{-2}-Bilanz.

Gabriel legte gestern einen Kriterienkatalog für die nachhaltige Herstellung von Biokraftstoffen vor und will diesen schon verbindlich anwenden lassen, bevor ein europaweites Zertifizierungssystem fertig ist. Das soll garantieren, dass für den Anbau nicht natürliche Lebensräume geopfert werden. Langfristig, so Gabriel, müsse ein solcher Nachhaltigkeitsnachweis auch für Tierfutter gelten. So sei etwa der Import von Soja für die Urwaldzerstörung verantwortlich. "Auf die Diskussion, die dann kommt, bin ich sehr gespannt", sagte der Minister ironisch mit Blick auf die Union und ihre Wählerklientel in der Landwirtschaft.

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