Der rote Sheriff will mehr Macht

Mitte Mai reagierte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2003 mal wieder leicht angesäuert, als danach gefragt wurde, wie es mittlerweile um die Zusammenarbeit deutscher Sicherheitsbehörden stünde. Ein rotes Tuch für den "roten Sheriff". Denn trotz aller Regelungen zur besseren Kooperation der Ämter, Schilys Ärger über nach wie vor bestehende Defizite bei der Informationssammlung und -Auswertung, über Doppelarbeit und Reibungsverluste zwischen den Verfassungsschutzbehörden oder Kriminalämtern ist immens.Grundlegende Änderung der Sicherheitsstruktur

Der Minister hat schon seit längerem die Faxen dick - und plant jetzt angesichts der Terrorgefahr eine grundlegende Änderung der deutschen Sicherheitsstruktur. Lieber zu viel als zu wenig Sicherheit, das ist Otto Schilys Motto. Schon am 2. Juni schrieb der Innenminister seiner Kabinettskollegin, Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), einen Brief, in dem er sich für seinen neuen Weg stark macht: Demnach will "Schröders harte Hand" die Bundesbehörden im Kampf gegen den internationalen Terrorismus stärken, die "Schlagkraft" der Ämter erhöhen, wie es aus seinem Ministerium heißt. Dafür müssen jedoch entsprechende Kompetenzen von den Länderbehörden auf den Bundesverfassungsschutz und das Bundeskriminalamt (BKA) übertragen werden. Dem Bund soll daher durch eine Grundgesetzänderung eine besondere Gesetzgebungskompetenz zur Terrorbekämpfung sowie der organisierten Kriminalität übertragen werden. Gegenwärtig sieht das Grundgesetz vor, dass die generellen Polizeibefugnisse den Ländern zustehen. Schilys Sprecher, Rainer Lingenthal, meinte gestern, man müsse sich überlegen, ob die Aufsplitterung sowohl im Polizeibereich in BKA und Landeskriminalämter als auch im Verfassungsschutzbereich in ein Bundesamt und Landesämter noch sinnvoll sei. Die momentane Gesetzeslage sei gerade bei "sehr vagen Hinweisen" problematisch. So dürfe die Bundesanwaltschaft nur bei einem Anfangsverdacht die Ermittlungen an sich ziehen. Nötig seien aber auch so genannte Vorfeldermittlungen, die sich bei der Terrorabwehr nicht immer regional zuordnen ließen. "Die Frage ist, ob wir uns mit der Reduzierung unserer Schlagkraft im Sicherheitsbereich abfinden", beschrieb Lingenthal das Szenario.Grundgesetz müsste geändert werden

Nur: Schilys Pläne würden die autonomen Bundesländer weitgehend entmachten - außerdem geht die Angst vor zuviel Zentralismus mal wieder um, auch wenn nach Ansicht des Ministers diese Furcht längst nicht mehr angemessen ist. Falls sich eine Grundgesetzänderung nicht durchsetzen lässt - danach sieht es aus - denkt Schily zumindest daran, ein Weisungsrecht zu installieren, "das schlichtweg ein Anruf wäre", so sein Sprecher. Heftig schallte dem forschen Bundesminister gestern bereits Ablehnung von den Länderkollegen entgegen, auch von den eigenen Genossen. Man fürchtet vor allem um die eigenen Kompetenzen. Genug Zündstoff also für die Innenministerkonferenz am 7. und 8. Juli. Allerdings dürfte einem der Vorstoß gut gefallen - dem Kanzler. Hat "Sheriff Schily" doch mal wieder gekonnt seine Aufgabe erfüllt, eine Flanke abzudecken, auf der in der Regel die Union zu punkten versucht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort