Der schwere Prozess des Loslassens

TRIER. Der Tod, das kann für alle Beteiligten Schmerz bedeuten, oft auch Ungläubigkeit, Angst und Wut. Und der Tod ist vor allem eins: ein endgültiger Abschied - ohne Aufschub, ohne Kompromisse. Betroffen sind die Angehörigen genau so wie die Sterbenden selbst.

Renate Langenbach ist Ärztin und Beisitzerin im Vorstand des Hospizvereins. Unzählige Male schon hat sie Menschen bei ihren letzten Atemzügen begleitet, hat die Angehörigen beruhigt und getröstet. In der vergangenen Woche jedoch war sie dem Tod noch näher als sonst: Sie war beim Sterben der eigenen Schwiegermutter dabei und kümmerte sich mehrere Tage um die Verwandte. "Unser Verhältnis war nicht immer einfach", sagt Renate Langenbach. Umso schöner sei es gewesen, für die Mutter ihres Mannes in den letzten Tagen und Stunden intensiv da zu sein.Auseinandersetzung mit dem Abschied

"Nicht nur die Angehörigen nehmen Abschied", sagt Monika Lutz, stellvertretende Vorsitzende des Hospizvereins. Auch für die Sterbenden selbst sei der Tod eine Auseinandersetzung damit, dass sie zu allem Lebewohl sagen müssen - zu ihren Lieben, zu ihrer Biographie mit allen Ecken und Kanten. "Gerade für alte Menschen kann dieser Prozess schlimm sein", weiß Monika Lutz. Wer mit seinem Schicksal hadere, habe es schwerer, friedlich abzuschließen. "Wenn ich merke, der alte Mensch will seine Frustration loswerden, dann lasse ich ihn schimpfen - das tut ihm besser, als dass ihm jemand sagt: Dir geht es doch gut, beklage dich nicht." Das sei für die Angehörigen eine harte Probe. "Oft verändern sich alte und kranke Menschen zum Ende hin, sind mehr und mehr verbittert, werden ungerecht." Die Patienten müssten "lernen, sich selbst zu verlieren". Hier sei es wichtig, auch mal zuzugeben und zuzulassen, dass man wütend ist. "Sonst machen sich die Pflegenden kaputt." Doch es gibt auch den plötzlichen, unerwarteten Tod, den die Angehörigen erst einmal nicht begreifen können. "Die Partner und Freunde müssen dann mit einer fast nicht auszuhaltenden Situation fertig werden", sagt der evangelische Pfarrer Ulrich Dann. Er ist in einen wechselnden Dienst eingebunden, bei dem evangelische und katholische Unfallseelsorger von Rettungssanitätern zu Unfall- oder Unglücksorten gerufen werden. Ist der Einsatz vorbei, bleiben die Pfarrer auch mal bei einem Angehörigen in der Wohnung, bis er sich beruhigt hat. Abschied nehmen, das ist auch der Moment, in dem ein Mensch gestorben ist und die Angehörigen sich, oft noch unter Schock und voller Schmerz, in einem Wust von Dingen wiederfinden, die erledigt werden müssen. "Manche möchten alles ganz schnell hinter sich bringen, andere wollen in Ruhe von dem Verstorbenen Abschied nehmen", beobachtet Bestattungsunternehmer Norbert Schmidt. Er rät in jedem Fall dazu, sich Zeit zu lassen. "Die Leute wissen gar nicht, dass man nicht sofort den Bestatter rufen muss. Man kann den Verstorbenen ruhig noch zu Hause behalten, wenn man es möchte." Die Überführung müsse erst nach 36 Stunden geschehen. Sterbe ein Patient im Krankenhaus, sei ein längeres Abschiednehmen in den meisten Fällen inzwischen auch möglich. "Ein Hospizhaus wäre natürlich ideal dafür", sagt Norbert Schmidt. Er selbst begleitet die Angehörigen auch bei den weiteren Phasen des Abschiednehmens, bespricht die Art der Beerdigung und der Trauerfeier. "Eine persönlich gestaltete Trauerfeier ist ein wichtiger Schritt im Prozess des Abschiednehmens", sagt er. Selbst vorgetragene Gedichte oder Musikstücke verlangten den Angehörigen allerdings oft viel Kraft ab: "Ich bewundere die Menschen, die es schaffen, in ihrem Schmerz aktiv zu werden." Auch Renate Langenbach hat ihren Abschied von der Schwiegermutter persönlich gestaltet. "Ich habe mit ihr gesprochen, habe die Wand voller alter Fotos gehängt, habe den Raum mit Weihnachtsschmuck dekoriert, den sie so liebte. Auch ihr schicker Hosenanzug lag bereit - sie hatte ihn sich als Totengewand gewünscht." Als die Schwiegermutter dann gestorben war, lud Renate Langenbach deren Freunde ein, damit sie sich von ihr verabschieden konnten. Dann verbrachte sie noch eine Nacht alleine mit ihr im Haus, bevor sie am nächsten Morgen den Bestatter rief. "Ich habe wenig geschlafen", sagt sie, "aber sehr viel verarbeitet. Es ist ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte."

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