Deutschland in guter Verfassung

Trier · Der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, Professor Dr. Bernhard Vogel, beantwortete in einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung an der Universität Trier die Frage, ob Deutschland in bester Verfassung sei, zurückhaltend mit der Feststellung "nicht in bester, aber in guter Verfassung".

Auf Einladung des Bernhard-Vogel-Kreises ( http://www.bernhard-vogel-kreis.de), einer von Studierenden, ehemaligen Mitarbeitern und Professoren der Universität gegründeten Hochschulgruppe, ließ der Referent 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland Revue passieren, ausgehend von dem in einer Katastrophe endenden Zweiten Weltkrieg mit Hunderten von zerstörten Städten, Tausenden von Heimkehrern und Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen.

Verglichen damit habe Deutschland mit seiner Währungsreform, dem vor sechzig Jahren verabschiedeten Grundgesetz, der Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft, der Westintegration, der deutsch-französischen Aussöhnung, dem Weg in die Europäische Union und der Wiedervereinigung vor zwanzig Jahren eine von niemandem für möglich gehaltene Entwicklung in eine bessere und friedlichere Zukunft genommen. Wer an Europa zweifle, so zitierte er den luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean Claude Juncker, sollte einen Soldatenfriedhof besuchen.

Der Europamüdigkeit wegen überbordender Bürokratie und ärgerlichem Zuständigkeitsgerangel setzte Vogel den seit 60 Jahren in Europa gewährleisteten Frieden, die Aufhebung der Grenzen aufgrund des Schengenabkommens und die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung entgegen. Auf Diskussionsfragen eingehend, betonte Vogel, die Osterweiterung der Union müsse nicht zu einer Diskussion über die Verlagerung der europäischen Hauptstadt führen. Europa, insbesondere Deutschland, müsse im Rahmen der Zuwanderung von Ausländern dem Aspekt der nachholenden Integration, dem Spracherwerb und der Ausbildung der Migranten erhöhte Aufmerksamkeit schenken.

Mit der sozialen Marktwirtschaft habe man im Sinne des Widerstandskämpfers Pater Alfred Delp SJ erfolgreich einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus gewählt. Die heutige Weltwirtschaftskrise müsse Anlass sein, Rahmenbedingungen für eine weltweite soziale Marktwirtschaft zu setzen. Die Chancen der Globalisierung müssten genutzt werden, ohne ihre Risiken zu verkennen. Umwelt, Energiebedarf, Demographieentwicklung dürften nicht aus dem Auge verloren werden.

Zu innerdeutschen Diskussionsthemen führte Bernhard Vogel aus, dass niemand eine Ahnung gehabt hätte, welche Probleme mit der Wiedervereinigung verbunden gewesen seien. Dies gilt sowohl für die Fehleinschätzung der Wirtschaftskraft der DDR als auch für die Unterschätzung der heute noch anhaltend hohen Arbeitslosigkeit im Osten. Die DDR sei für ihn ein Unrechtsstaat gewesen ohne freie Wahlen, Opposition, freie Medien. Der Staatssicherheitsdienst (Stasi) sei Schild und Schwert der Sozialistischen Einheitspartei SED gewesen zur Bespitzelung und absoluten Kontrolle der eigenen Bevölkerung.

Der Staat solle in Wirtschaftsangelegenheiten nicht Akteur oder Mitspieler sein, sondern sich auf die Rolle des Schiedsrichters beschränken, der auf die Einhaltung der Regeln achte. Vor der weiteren Verschuldung der öffentlichen Hand könne er nur warnen. Sie schränke die Handlungsfähigkeit des Staates in der Zukunft erheblich ein.
Für das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland forderte Bernhard Vogel mindestens zwei miteinander im Wettbewerb stehende Volksparteien. Der CDU könne nicht an einer völlig geschwächten SPD gelegen sein. Vogel wörtlich: "Eine Mannschaft allein kann kein Spiel gestalten."

Den Protest der Schüler und Studenten müsse man ernst nehmen. Das Aufbegehren sei zwar wegen der gerade zugesagten 18-Milliardenhilfe von Bund und Ländern für das Bildungswesen zu einem unglücklichen Zeitpunkt erfolgt. Die Erhebung von Studiengebühren habe er aber immer für falsch gehalten, solange nicht ein ausgebautes Stpipendienwesen etabliert sei.

Dem Namen Bernhard-Vogel-Kreis für die Hochschulgruppe an der Universität Trier habe er ausnahmsweise zugestimmt. Zu seinen Lebzeiten werde er keine weiteren Namengebungen erlauben.

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