Deutschlands ungerechte Arbeitswelt

Frauen bekommen in Deutschland für ihre Arbeit durchschnittlich immer noch 22 Prozent weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Damit ist der Lohnunterschied in der Bundesrepublik im EU-Vergleich besonders groß. Luxemburg liegt mit einer Differenz von zwölf Prozent unter dem EU-Durchschnitt (15 Prozent).

Brüssel/Trier. 2008 herrscht in Europa noch lange keine Lohngerechtigkeit. Vor allem die Frauen in Deutschland gehören im Ländervergleich zu den großen Verlierern. Während beispielsweise in den skandinavischen Ländern Frauen ähnlich gute Karriere-Chancen haben wie ihre Kollegen, sieht es in Deutschland beim Verdienstabstand zwischen den Geschlechtern noch übel aus. Die CDU-Europa-Abgeordnete Christa Klaß aus Osann-Monzel bedauert die Entwicklung. "In allen Berufsgruppen und Branchen erhalten Frauen im EU-Durchschnitt 15 Prozent weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen." Deutschland schneide zusammen mit der Slowakei, Zypern und Estland mit einem Lohngefälle zwischen Männern und Frauen von über 22 Prozent am schlechtesten ab. "Unsere Nachbarn in der Großregion schneiden dagegen deutlich besser ab. Frankreich, Luxemburg und Belgien stehen mit neun bis zwölf Prozent wesentlich besser da", sagt die Europa-Politikerin. Dabei sehen die Experten viele Ursachen für diese gravierenden Unterschiede. Männer seien öfter in Führungspositionen sowie als Fachkräfte beschäftigt und erhielten einen höheren Lohn. Frauen arbeiteten häufig als Bürokräfte, im Verkaufs- und Dienstleistungssektor und im sozialen Bereich. Dazu komme die Benachteiligung von Müttern. Für Christa Klaß ist klar: Hier müssen Politik und Unternehmen einiges tun. Doch auch Frauen sollten selbstbewusster auftreten: "Frauen müssen ihre Ziele höherstecken. Wer nicht nach den Sternen greift, der landet in der Dachrinne."Einkommenskluft überwinden

Seit einiger Zeit beschäftigt sich beispielsweise das Institut für Mittelstandsökonomie in Trier (InMit) im Auftrag des rheinland-pfälzischen Frauenministeriums mit der Thematik. Die ‚Zeit-Zeichen-Informationsstelle' untersucht Gründe und Folgen der Einkommenskluft zwischen Frauen und Männern. InMit-Geschäftsführerin Martina Josten: "Hier gilt es die grundlegende Arbeit zu leisten. Das muss unter anderem ganz wesentlich darüber geschehen, dass die Erwerbstätigkeit und die Karriere von Frauen - gerade auch derer mit Familie - gefördert wird." Denn derzeit seien es immer noch die Frauen, die vornehmlich die Zeche für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im übertragenen Sinne - durch Doppelbelastung - oder auch im direkten Sinne durch Erwerbs-Ausfallzeiten, schlechter dotierte Berufsrückkehrerinnenverträge und Karrierestopp - zahlten. "Eine Rechnung, die nicht nur für die Arbeitnehmenden nicht mehr aufgehen wird, sondern - angesichts des Fachkräftemangels - erst recht nicht für die Arbeitgebenden, für die qualifizierte Frauen in Zukunft unverzichtbar sein werden", sagt die Expertin. Auch die Hans-Böckler-Stiftung beschäftigt sich intensiv mit der Lohnentwicklung in Deutschland. Nach ihrer Ansicht sind die Gründe vielfältig. Zum Teil könnten häufigere Berufsunterbrechung, kürzere Berufserfahrung, die geringere Zahl von Führungspositionen für Frauen und die partiell noch geringere Qualifikation die Gehaltsunterschiede erklären. Zahlreiche Studien zeigten jedoch auch: Es gibt immer noch eine Lohndiskriminierung. extra Große Gehaltsschere: Die Hans-Böckler-Stiftung hat in einer Umfrage den durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von Frauen und Männern hinterfragt. Die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern fallen je nach Beruf und Tätigkeit unterschiedlich aus. Einige Beispiele: Bankkauffrauen verdienen rund 80 Prozent des Verdienstes ihrer Kollegen (2967 Euro/3682 Euro). Besser sieht es indes bei Personalsachbearbeiterinnen aus, die auf 93 Prozent kommen (2695/2879), bei Elektroingenieurinnen mit fast 94 Prozent (4112/4377) und Informatikerinnen mit 90,7 Prozent (3590/3971). Versicherungskauffrauen bekommen im Schnitt mit 2593 Euro zu 3545 Euro lediglich 73,2 Prozent des Bruttolohns ihrer Kollegen. (hw)

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