Die Angst, ein Weichei zu sein

TRIER. Frauen haben heute Freiheiten, die vor ihnen noch keine Frauengeneration hatte. Sie haben - formaljuristisch jedenfalls - die selben Rechte wie Männer. Kein Gesetz hindert Frauen daran, zu tun, was sie für richtig halten. Der Selbstbestimmung der Frauen stehen die Männer jedoch oft hilflos gegenüber - ein Fall aus der Familienberatung.

Es war Heinz anzusehen, dass er nicht so recht wusste, was die Familien-Beratung sollte, zu der seine Frau Gerda ihn überredet hatte. Auf die Frage, wie die Prioritäten in der Familie verteilt seien, wer für Haushalt und die Betreuung der drei Kinder zuständig ist, antwortete er beinahe stolz: "Meine Frau braucht nicht zu arbeiten." Seine Frau saß daneben und verzog lediglich ihren Mund. "Für Heinz ist Arbeit ganz klar mit Geldverdienen gleichgesetzt", empörte sich Gerda. Die Entwertung, die sie für ihre geleistete Arbeit als Hausfrau und Mutter empfand, schwang hörbar zwischen den Zeilen mit. Das bisschen Haushalt....

Als ihr Mann sich auch noch damit zu brüstete, seiner Familie einen wundervollen Ort der sozialen Entfaltung zu ermöglichen, wurde das eigentliche Problem des Paares schnell deutlich. Der Mann und Vater war überwiegend fürs Geld verdienen zuständig. Er saß sozusagen im Verwaltungsrat der Familie, während seiner Frau das gesamte Management, sprich Haushalt und die Erziehung der Kinder, oblag. Was scheinbar über 15 Jahre lang funktioniert hatte, war für Gerda längst nicht mehr befriedigend. "Schließlich kann meine Frau zu Hause schalten und walten wie sie will", versuchte Heinz des öfteren die Vorzüge einer Hausfrau und Mutter zu beschreiben. Heinz fand, dass die Therapie, zu der seine Frau ihn geschleppt hatte, herausgeworfenes Geld sei. Als ihm aber seine Frau offenbarte, dass sie mit 36 nochmals ein Studium beginnen wolle, wurde er beinahe wütend: "Und das gerade jetzt, wo die Kinder in einem schwierigen Alter sind!" Als er merkte, dass der Entschluss längst beschlossene Sache war, fühlte er sich hintergangen. Dass Heinz ein traditionelles Bild von einem Familienvater hat, wollte er lange nicht einsehen. "Abgesehen davon, dass ich den Laden finanziere, kümmere ich mich sehr oft nach Feierabend, manchmal an den Wochenenden und immer in den Ferien um alles, um Haus, Frau und Kinder. Ist das vielleicht nichts?" erklärte er in einer der Sitzungen. Heinz ist einer von vielen Männern, die das, was im "Kampf der Geschlechter" in der Gesellschaft vor sich geht, als Unglück für sich empfinden. Die traditionelle Rolle, die dem Mann Jahrhunderte lang sicher war, ist ins Wanken geraten. Die Veränderungen, die auf Heinz zurollten, machten ihm Angst. Das konnte man spüren und verstehen. Heinz versuchte jedoch ständig seine Angst zu verbergen. Er sprach auch nicht mit seinesgleichen darüber. Eines war dennoch klar: Seine Frau würde ihr Studium durchziehen - notfalls ohne seine Unterstützung. Neue Wege, neue Chancen?

Selbst als er damit drohte, sich scheiden zu lassen, rückte Gerda nicht von ihrem Entschluss ab. Er merkte, dass er nicht mehr über die Macht verfügte, die sein Vater noch vor knapp 30 Jahren hatte. Was Heinz, wie viele andere Männer, lernen muss, ist mit der Selbstbestimmung seiner Frau umzugehen. Das ist allgemein ein schwieriger Prozess für Männer. Sie sind oft verunsichert und wissen nicht mehr, wie sie sich als Mann und Vater in dieser veränderten Welt mit all den aufgeweichten Rollenbildern verhalten sollen. Doch genau in diesem Chaos steckt auch eine echte Chance - für den Mann und Vater. Wenn Frauen mit Kindern arbeiten oder sich weiterbilden, müssen ihre Männer zwangsläufig familiäre Verantwortung übernehmen. Noch haben viele Männer Angst vor dieser Herausforderung. Sie haben Angst davor, ein Stück ihrer patriarchalischen Macht aufzugeben, Angst davor, das Gesicht als Mann zu verlieren - vielleicht sogar als Weichei zu gelten. Die größte Angst haben sie jedoch davor, durch die verringerte Erwerbstätigkeit zu Gunsten der Familie nicht mehr konkurrenzfähig am Arbeitsmarkt zu sein. Maria Graf ist in der Erwachsenenbildung tätig und führt eine eigene psychologische Beratungspraxis in Schaffhausen in der Schweiz. Mailen Sie uns Ihre Meinung zum Thema: familie@volksfreund.de

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