Die "Antikrieger" wollen sich Zeit lassen

Mit dem offiziellen Beginn der US-Vorwahlen gestern Abend im Bundesstaat Iowa richtet sich der Blickwinkel auch auf die Präferenzen der Kandidaten in Sachen Kriegs-Führung.

Washington/Des Moines. Der eine, der Republikaner und New Yorker Ex-Bürgermeister Rudolph Giuliani, ärgert sich über das seiner Ansicht nach mangelnde Engagement der Nato-Partner in Afghanistan - und würde deshalb als eine seiner ersten Amtshandlungen die Zahl der US-Kampftruppen am Hindukusch verdoppeln. Ein anderer, der Demokrat und frühere Senator John Edwards, würde als neuer Präsident sofort die Anordnung für den Rückzug aus dem Irak geben - und dabei auch innerhalb von zehn Monaten jene Militärs abziehen, die derzeit mit der Ausbildung irakischer Soldaten und Polizisten eine wichtige Stabilisierungsaufgabe erfüllen. Mit dem offiziellen Beginn der US-Vorwahlen gestern Abend im Bundesstaat Iowa - die Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor - richtet sich der Blickwinkel auch auf die Präferenzen der Kandidaten in Sachen Kriegs-Führung. Denn fast alle, die es ins Weiße Haus zieht, verkaufen sich in diesen Tagen als "agents of change", also für Wandel und Wechsel stehende Persönlichkeiten. Doch gilt das auch für die Außen- und Sicherheitspolitik, vor allem das US-Engagement in Afghanistan und im Irak? Während die Frage der weiteren Präsenz im Irak bei den meisten Bewerbern der Demokraten in öffentlichen Wahlkampf-Versammlungen das Versprechen produzierte, man werde den Einsatz im Zweistromland schnellstens beenden, so liegen einige der Aspiranten für die Bush-Nachfolge doch näher an der Linie des jetzigen Präsidenten als sie freiwillig einräumen. Erst auf Nachfrage erfährt man beispielsweise vom farbigen Hoffnungsträger Barack Obama - in Iowa gestern Demoskopen zufolge mit 28 Prozent Kopf an Kopf mit seiner demokratischen Parteifreundin Hillary Clinton - die Details des Irak-Konzeptes: Obama, der sich immer wieder gerne als "Antikriegs"-Kandidat präsentiert, will sich immerhin 16 Monate Zeit für einen "phasenweisen Rückzug" nehmen und ein kleineres Kontingent im Land lassen. Und Hillary Clinton, nach landesweiten Umfragen weiter die Favoritin für die Nominierung bei den Demokraten und auch für die Bush-Nachfolge? Auch sie - bis heute in der argumentativen Zwickmühle durch ihr Kriegsermächtigungs-Votum im US-Senat - würde sich mehr Zeit lassen als ihr Rivale John Edwards. Und sie sieht, so lässt sich aus Aussagen der früheren First Lady schließen - langfristig ein kleineres Kontingent an US-Soldaten, die im Irak zurückbleiben sollten. Deren Aufgabe: El-Kaida-Terroristen bekämpfen, das irakische Militär unterstützen und den Iran vor zu viel Einflussnahme im Nachbarland abschrecken. Doch eine der bisher wichtigsten Aufgaben würden unter einer Präsidentin Hillary Clinton die amerikanischen Truppen nicht mehr erfüllen: den Schutz der irakischen Zivilbevölkerung vor Gewalttaten rivalisierender ethnischer Glaubensgruppen. Damit wären US-Soldaten aus der Schusslinie - was es wiederum nach Ansicht von Militärexperten Clinton erleichtern würde, doch noch über einen längeren Zeitraum ein fünfstelliges Truppenkontingent im Irak zu belassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort