"Die Belastung ist zu hoch"

BERLIN. (ve) Im politischen Gezerre um den künftigen Reformkurs haben die rot-grünen Bedenkenträger Schützenhilfe von der Union erhalten. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sprach sich für Nachbesserungen bei der Gesundheitsreform aus.

Die "Ungereimtheiten" im Zusammenhang mit den Betriebsrenten müssten beseitigt werden, sagte Michael Glos gestern. Zuvor hatte der einflussreiche SPD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Harald Schartau, gefordert, "die Fehler der Reformen zu korrigieren". Das Bekenntnis zu gesetzlichen Reparaturen erstaunt: Schließlich waren die gesundheitspolitischen Einschnitte im Konsens von Koalition und Union entstanden. Doch offenbar hat der Aufschrei der Rentner seine Wirkung nicht verfehlt. Die Ruheständler gehören zu den großen Verlierern des allgemeinen Reformeifers. Im laufenden Jahr fällt erstmals die Erhöhung ihrer Bezüge aus. Dafür sind ab April die vollen Pflegebeiträge (bisher die Hälfte) auf die gesetzlichen Alterseinkünfte fällig. Wer neben seiner normalen Rente eine Betriebsrente bezieht, ist sogar doppelt gestraft. Denn seit Januar muss dafür der volle Krankenkassenbeitrag von durchschnittlich 14,3 Prozent entrichtet werden. Davor lag er ebenfalls bei der Hälfte. Eine betriebliche Altersrente in Höhe von beispielsweise 300 Euro wird dadurch um rund 21 Euro pro Monat geschmälert. Die Betriebsrentner hätten bei Abschluss ihrer Verträge mit voller Bezugs-Höhe gerechnet, jetzt fühlten sie sich "geschröpft und getäuscht", schimpfte der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger. Dabei droht Betriebsrentnern schon die nächste zusätzliche Belastung: Nach einem Verfassungsgerichtsurteil müssen Rentner und Pensionäre steuerrechtlich gleich behandelt werden. Das Bundesfinanzministerium hat deshalb einen Gesetzentwurf erstellt, der zwischen 2005 und 2040 eine wachsende Besteuerung der Alterseinkünfte vorsieht. Im Gegenzug werden die Beiträge der Arbeitnehmer zur Rentenversicherung nach und nach steuerfrei gestellt. Da sich eine mögliche Besteuerung auf die gesetzliche und betriebliche Rente bezieht, wären Personen mit beiden Einkünften die ersten Anwärter für den Fiskus. Der Sozialexperte der CDU, Andreas Storm, rechnet damit, dass schon im kommenden Jahr bis zu drei Millionen Rentner zum ersten Mal mit höheren Steuern als bisher rechnen müssen. Sein Fazit: "In der Summe ist die Belastung für die Betriebsrentner zu hoch". Der VdK hat bereits mit einer Verfassungsklage gedroht. Derweil stellen sich die Krankenversicherer auf eine Klageflut gegen die Verdoppelung der Krankenkassenbeiträge für Betriebsrentner ein. Um den Verwaltungsaufwand zu begrenzen, will man sich mit den Betroffenenverbänden auf wenige Musterklagen einigen. Ein Drittel weniger Betriebsrente

Die Kassen gehören zu den Befürwortern der Mehrbelastung für Betriebsrentner, schließlich sind die Zusatzeinnahmen aus den vollen Beitragssätzen eine schöne Stange Geld. Auch das Gesundheitsministerium will daran nicht rütteln. "Die Union hat das Konzept mit beschlossen", sagte Ministeriumssprecher Klaus Vater unserer Zeitung. Der Druck zur Nachbesserung dürfte dennoch steigen. "Die Union wird dem jetzigen Entwurf zur Rentenbesteuerung mit Sicherheit nicht zustimmen", meinte Storm. Für den CDU-Politiker gehört dieses Vorhaben mit dem erhöhten Krankenkassenbeitrag der Betriebsrentner zusammen. Unter dem Strich würde die Betriebsrente eines heute 45-Jährigen um etwa ein Drittel reduziert. Das sei eindeutig zu viel. Eine ersatzlose Streichung des erhöhten Kassenbeitrages hält er allerdings für nicht minder problematisch, denn ein neues Finanzierungsloch dürfe nicht entstehen. Spätestens an dieser Stelle denken Union und Koalition gleich: Denn eine Anhebung der Krankenkassenbeiträge soll auf jeden Fall verhindert werden.

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