Die Flut kommt beim Frühstück

BERNKASTEL-WEHLEN. Musik zu laut, Grillfeuer stinkt: Für die Polizei gehören solche Nachbarschaftsstreits zum Tagesgeschäft. Doch auch Polizeibeamte müssen lernen, dass es Einsätze gibt, die sie bis dato nicht kannten.

 Christel Bergweiler zeigt auf die Stelle unterhalb der Geschirrspülmaschine, wo das Wasser zuerst herausschoss. Wo sich das (Bohr)-Loch befindet, wird sich erst zeigen, wenn die Geräte ausgebaut sind.Foto: Clemens Beckmann

Christel Bergweiler zeigt auf die Stelle unterhalb der Geschirrspülmaschine, wo das Wasser zuerst herausschoss. Wo sich das (Bohr)-Loch befindet, wird sich erst zeigen, wenn die Geräte ausgebaut sind.Foto: Clemens Beckmann

Elmar Bergweiler sitzt am Dienstag gemütlich beim Frühstück und stärkt sich für einen anstrengenden Tag. Mehr als 200 Weine warten bei der Jahrgangspräsentation des Bernkasteler Rings auf den Weinkommissionär, dazu wichtige Kunden, denen er den Superjahrgang schmackhaft machen will. "Plötzlich rauschte es. Ich dachte, der Schlauch in der Geschirrspülmaschine sei kaputt", erinnert sich Bergweiler. Im nächsten Moment schießt Wasser unter den Küchengeräten hervor. Bergweilers Ehefrau Christel, die im selben Moment die Küche betritt, läuft sofort nach unten, und holt Schaber, um der Wassermassen Herr zu werden. Ihr Ehemann ruft derweil bei der Polizei an. Er hat nach dem ersten Schrecken erkannt, dass hier kein technischer Defekt vorliegt, sondern dass Nachbar Raimund Friedrich am Werk ist. Er liegt mit den Bergweilers im Streit. Friedrich sagt, dass Erde, die 1958 auf den neu gebauten Keller der Bergweilers geschüttet wurde, und ein kleiner Schuppen, der darauf steht, für die Feuchtigkeit in seiner Werkstatt verantwortlich sind. Das liege zwar in der Verantwortung von Bergweilers Vater, doch müsse der Nachkomme für Abhilfe sorgen. Dazu sieht Elmar Bergweiler aber keine Veranlassung. Die Wasser-Aktion erfolgt mit Ansage. Friedrich hatte in einem Brief angekündigt, dass sich die Bergweilers nicht wundern sollen, "wenn ich die Wassermassen zurück sende, die ihr durch die Wand fließen lasst. Es besteht aber keine Lebensgefahr für euch, denn ihr könnt ja beide schwimmen." Und er warnt: "Der nächste Tropfen, der durch meine Wand kommt, kann bei euch eine Flut auslösen." Am Dienstagmorgen habe er dreimal angerufen und eine klare Antwort gefordert, ob die Erdmassen, die für die Feuchtigkeit in seiner Werkstatt verantwortlich seien, endlich beseitigt werden. Einmal habe Bergweilers Mutter abgehoben, einmal anscheinend eine Bekannte, und einmal sei der Hörer sofort wieder aufgelegt worden. Da habe er aber gewusst, dass jemand zuhause gewesen sei. "Sonst hätte ich den Hahn nicht aufgedreht", sagt er. Das habe er dann aber getan - erst leicht, dann richtig. "Es hat funktioniert. Zwei Minuten später war die Polizei da", sagt Friedrich und spricht von einem Akt der "Selbsthilfe".So etwas hat die Polizei noch nicht erlebt

Das sehen die Betroffenen natürlich anders. Was wäre geschehen, wenn Friedrich den Hahn doch in ihrer Abwesenheit aufgedreht hätte, fragen sie sich. Auch so sei das Wasser im Obergeschoss in alle Räume außer in das Wohnzimmer geflossen. Im Erdgeschoss befinden sich die Büros des Kommissionärs. "Die EDV-Anlage wäre hin gewesen", sagt Christel Bergweiler. Wie hoch der Schaden ist, wissen die beiden noch nicht. Zumindest äußerlich ist nichts zu sehen. Heute wird ein Fachmann die Küche ausbauen. Dann wird auch das Loch zum Vorschein kommen, durch das das Wasser strömte. Bis vor einigen Tagen haben sich die Parteien noch gegrüßt. Dann hat Christel Bergweiler von ihrem Grundstück aus die Spitze eines Baumes in Friedrichs Garten absägen lassen, der die Sicht in die dahinter liegenden Gärten versperrte. "Das war vielleicht nicht richtig", gibt Elmar Bergweiler zu. Im Gegenzug zerschnitt Friedrich an einem Baum im Garten der Bergweilers zwei tragende Stämme. Die Wasser-Aktion sei geplant gewesen, glaubt Bergweiler, der einen Anwalt eingeschaltet hat. Seit Wochen sei auf der anderen Seite der Wand gehämmert und gebohrt worden. Nun wisse er warum. Helmut Kaspar, Leiter der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues, hat schon viele Nachbarschaftsstreitigkeiten erlebt. "Aber so etwas noch nicht”, sagt er. "Das ist mehr als eine Sachbeschädigung."

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