Die Glückshormone spielen verrückt

Berlin. Angela Merkel ist noch nicht einmal offiziell zur Unions-Kanzlerkandidatin ausgerufen worden. Doch in den Schwesterparteien und in der FDP wird bereits über die mögliche Zusammensetzung von Merkels Wahlkampfmannschaft spekuliert.

Die Herren Abgeordneten der größten Oppositionsfraktion belieben neuerdings zu scherzen. "Es geht aufwärts, Jungs", feixt der Osnabrücker CDU-Mann Georg Schirmbeck auf dem Weg in den Fraktionssaal den wartenden Journalisten zu. "Die Zukunft gehört uns!" Gelächter unter der Reichstagskuppel bei der lungernden Journaille. "SOS", sagt ein anderer kurz vor Beginn der Sondersitzung – Sieg oder Sibirien!", ruft er. Wer damit nach den Bundestagswahlen im Herbst gemeint ist, ob Kanzler Gerhard Schröder oder gar die eigene Frontfrau Angela Merkel, bleibt offen. Noch nie, berichtet nach der eilig einberufenen Unions-Sondersitzung der Saarländer Albrecht Feibel, habe er in den sechs Jahren als Bundestagsabgeordneter eine "solche Stimmung" erlebt. "Bombastisch" sei zu Beginn der Applaus für die Vorsitzende ausgefallen. Die Union im Überschwang, die Glückshormone spielen verrückt, weil nach dem historischen Sieg im einst so tiefroten Nordrhein-Westfalen nun der Wechsel im Bund von den harten Oppositionsbänken wieder auf die gut gepolsterten Regierungsstühle greifbar nahe ist. Jetzt, wo nach dem Neuwahl-Coup der Regierung plötzlich alle Zeichen auf Wechsel hin zu Schwarz-Gelb stehen, gibt es anscheinend auch keinen mehr, der nicht seinen Frieden mit der Protestantin an der Partei- und Fraktionsspitze gemacht hat; die man früher doch gerne hinter vorgehaltener Hand kritisierte. Jetzt hat sich der Wind gedreht: Angela Merkel, Superstar. Berlin mausert sich derweil zur Hauptstadt der Personalspekulationen, und auch über den kommenden Montag hinaus wird das so bleiben, denn nach der gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU will Kanzlerkandidatin Merkel nur eine Kerntruppe vorstellen. Viele Gerüchte ranken sich derzeit um Edmund Stoiber. Vertraute berichten, er werde bei einem Wahlsieg auf alle Fälle nach Berlin wechseln als Superminister für Wirtschaft und Finanzen. Bevor er sich offiziell äußert, will der Bayer aber erst die Nachfolge im Amt des Ministerpräsidenten geklärt sehen – es streiten sich Staatskanzleichef Erwin Huber und der bayerische Innenminister Günther Beckstein, der neben CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach wiederum als neuer Bundesinnenminister in einem Kabinett Merkel gehandelt wird. Bei einem Wechsel nach Berlin will Stoiber aber unbedingt CSU-Chef bleiben, hört man aus seinem Umfeld. Dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle wird nachgesagt, er wolle dann einen Ministerposten anstreben, wenn Stoiber dies tue – im Gespräch ist das Justizressort. Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktionschef, lässt wissen, dass sein Interesse an Außenpolitik ja bekannt sei, er dürfte somit unter Angela Merkel neuer Außenminister werden. Als zweiter Superminister nach Stoiber wird in Berlin der saarländische Ministerpräsident und Merkel-Verbündete Peter Müller heiß gehandelt – für Arbeit, Soziales, und Gesundheit. Als sicher gilt, dass nach einem Wahlsieg der Union CSU-Landesgruppenchef Michael Glos das Verteidigungsressort übernimmt. CDU-General Volker Kauder soll Kanzleramtsminister werden, die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan Bildungsministerin, die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen Familienministerin.

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