Die Grünen mögen's bunt

BERLIN. Die Bundesregierung denkt über schärfere Gesetze gegen Graffiti-Sprayer nach. Noch mauern allerdings die Grünen.

Kein Gebäude ohne Graffiti. Das gilt für viele Straßenzüge in deutschen Kommunen. Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg beispielsweise sind die sanierten Altbaugebiete ein Eldorado für die Sprayerszene. Wer dort wohnt, hat es meist schon aufgegeben, gegen die vermeintlichen Kunstwerke oder schnöden Farbkürzel aus der Dose vorzugehen. Einige Bezirke Berlins, aber auch andere deutsche Städte setzen mittlerweile Kopfgelder von 100 Euro oder mehr aus, um Sprayer dingfest zu machen. Ohne großen Erfolg. Obwohl sich Rot-Grün bislang strikt weigerte, die Gesetze gegen Graffiti-Schmierereien zu verschärfen (zuletzt Anfang des Jahres), will Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) jetzt doch eine härtere Gangart einschlagen. "Wir müssen der Diskussion nun ein Ende machen", sagt Zypries. Beim grünen Koalitionspartner hält man davon allerdings weiterhin wenig. In Deutschland werden nach Berechnungen des Städtetages durch illegale Sprühereien jährlich Schäden in Höhe von 200 Millionen Euro angerichtet. Bislang müssen Täter aber nur dann mit einer Verurteilung wegen Sachbeschädigung rechnen, wenn die Substanz einer Sache verletzt wird oder die Fassade beim Reinigen leidet. Bei scheinbar geringen Schäden gehen die Verfahren also oft erfolglos aus. Zwar können sich Eigentümer über eine zeitaufwendige Zivilgerichtsklage die Kosten bei den Tätern holen - dazu müssten diese aber erst einmal gefasst werden. Und meist haben die Jugendlichen dann kaum Geld. Der Kampf gegen die Spraydose ist eine politisch fast unendliche Geschichte. Dreimal schon hat der Bundestag in den letzten Jahren über ein Graffiti-Bekämpfungsgesetz debattiert, jedesmal senkten SPD und Grüne den Daumen. Nach wie vor sind drei Gesetzentwürfe in der Diskussion, einer der FDP, einer der Union und einer des Bundesrates. Zypries, die nun anscheinend wie die Kritiker der jetzigen Gesetzeslage glaubt, dass das Sprühen zunehmend zur Verwahrlosung der Städte beiträgt, tendiert zu dem Vorschlag der Länderkammer. Schon eine wesentliche Veränderung des Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers soll danach strafrechtlich sanktioniert werden. Die Idee der Opposition, den Begriff des "Verunstaltens" ins Gesetz aufzunehmen, lehnt die Ministerin hingegen ab - weil sonst in den Prozessen ständig Kunstgutachter aussagen müssten. Der Vorschlag der Länderkammer hat überdies den Vorteil, dass er maßgeblich von der Union erarbeitet wurde. Die Zustimmung des Bundesrates dürfte also sicher sein, wenn Zypries im September ihre Pläne konkretisieren wird. Allerdings tut sich eine andere Hürde für die Ministerin auf - und die ist grün. Schon bei den Koalitionsverhandlungen traten die Alternativen auf die Bremse, als die Sozialdemokraten eine Verschärfung der Gesetzeslage anpeilten. Die Grünen führen nicht nur stets die geringe Aufklärungsquoten ins Felde - "hier kommen sie mit Strafen nicht weiter", so Fraktionsvize Christian Ströbele, - sondern Sprayer und Graffiti-Künstler gehören nun mal nach wie vor zur ihrer Klientel. Wird deshalb das Problem verharmlost? "Ich kann der Hypothese, dass überall alles schlimmer wird, nicht zustimmen", sagt der rechtspolitische Sprecher der Partei, Jerzy Montag. Gegen das Graffiti-Schmierereien helfe "nur Aufklärung und die Debatte darüber. Das Strafrecht ist dazu überhaupt nicht geeignet".

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