Die Kehrtwende des Guido W.

BREMEN. Die Zeiten sind nicht spaßig. Für Guido Westerwelle schon länger nicht mehr. Er nimmt das Manuskript, hebt es mit beiden Händen an und knallt die Seiten auf das Pult. Der Oberliberale läutet in der Bremer Stadthalle beim FDP-Bundesparteitag energisch sein großes Finale ein, mit rotem Kopf, weil er zuvor lautstark die rot-grüne Bundesregierung vehement gegeißelt hat.

Es gilt, die letzten zehn Minuten über die Bühne zu bringen. Zehn überaus wichtige Minuten, auf die die rund 600 Delegierten gewartet haben; in denen sich Westerwelle reumütig und perspektivisch zugleich geben muss. Er bringt seine eigene Wandlung, seine Kehrtwende zum Abschluss - die Basis dankt es ihm, allerdings mit einem kleinen Dämpfer. Geschafft. Lang anhaltend und freundlich ist der Applaus, Generalsekretärin Cornelia Pieper gibt ihrem Vorsitzenden Küsschen links, Küsschen rechts. Guido Westerwelle hat sich der FDP neu präsentiert, seriöser und programmatischer. Vor allem aber als einer, der gelernt hat: Big-Brother-Container, Guidomobil, lächerliche 18-Aufkleber unter den Schuhsolen oder gar die Kanzlerkandidatur - "solche Überdrehungen", wie der Mann seine Mätzchen während des Bundestagswahlkampfes im vergangenen Jahr heute einsichtig nennt, sind passé. Mit ihm nicht mehr, der Spaß ist vorbei, weil sich die Gaudi für die FDP als untauglich erwiesen hat. Das wird ihm in der anschließenden Aussprache mehrfach von Delegierten um die Ohren gehauen. "Es sind Fehler gemacht worden, die zu allererst der Vorsitzende zu verantworten hat", gibt Westerwelle reumütig zu. Lehrgeld habe er bezahlt, auch weil er zu sehr vertraut habe, spielt der 41-Jährige auf die unrühmliche Affäre um seinen Ex-Vize Jürgen W. Möllemann an. Dessen Namen erwähnt er mit keinem Wort, so hält er es schließlich schon seit Monaten. "Wenn es beim ersten Mal nicht gelingt, steht man wieder auf und versucht es noch einmal", brüllt der Vorsitzende in den Saal. Da ist sie, die Bitte um die zweite Chance. Die hätte er zwar sowieso bekommen, die Ereignisse der Vergangenheit sind aber noch nicht vergessen. 2001 erhielt Westerwelle bei seiner ersten Wahl zum Vorsitzenden 90 Prozent, diesmal sind es nur 79. Ein Dämpfer, wenn auch nur ein kleiner. Ein Neuanfang ist der Parteitag zweifelsohne. Westerwelles Rede gerät zum Mix zwischen Abrechnung mit Rot-Grün, der eigenen Reue, der eigenen Lobhudelei auf die letzten zwei Jahre und der programmatischen Festlegung der FDP auf Wirtschaftsliberalismus und Reformalternative. "Keine Wahl geben wir verloren", heißt nun die Marschrichtung, die Strategie die der Vorsitzende seinen Leuten verordnet. Egal ist das nummerisch propagierte Ziel, eigenständig soll die FDP bleiben, sich als Partei für das ganze Volk verstehen und wann immer möglich, bei Wahlen an Stimmen dazu gewinnen. Es klingt nach Strategie 18 von früher, sie ist es auch irgendwie, nur eben light und so auch nicht mehr benannt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort