Die Konjunktur schlägt langsam durch

Die Arbeitsagentur in Nürnberg verzeichnet bei ihrer Halbjahresbilanz Rückgänge bei Hartz IV. Allerdings beklagen die Städte Fehlentwicklung beim Wohngeld.

"Er bewegt sich doch." Mit diesem abgewandelten Galileo-Zitat kommentierte Arbeits-Staatssekretär Rudolf Anzinger gestern die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose. Die Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) hat im ersten Halbjahr 1,9 Millionen Arbeitslosengeld-II-Empfänger in irgendeine Form von Beschäftigung gebracht, von der Qualifizierungsmaßnahme bis zum Ein-Euro-Job.Immerhin bei 400 000 gelang die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Wie viele dort allerdings bleiben, ist offen.

23 Prozent aller Abgänge aus der Hartz-IV-Statistik sind sowieso schon nach drei Monaten wieder drin. Und es gibt laufend Neuzugänge. Im Verlauf eines Jahres, von April 2006 bis März 2007, sank der Bestand trotz guter Konjunktur netto nur um 130 000, auf durchschnittlich 4,58 Millionen. Darunter auch viele, die etwa als allein Erziehende, zwar als arbeitsfähig gelten, dem Arbeitsmarkt aber nicht zur Verfügung stehen.

Die Momentaufnahme ist noch flüchtig; der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit gelingt jedoch offensichtlich weit weniger schnell als bei den Arbeitslosengeld-I-Beziehern, wo ein Rückgang von einer Million zu verzeichnen ist. Aber, so BA-Vize Heinrich Arlt, die Zahlen zeigten dennoch: "Arbeitslosengeld II ist keine Endstation."

Das berichten auch die Städte. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stefan Articus, sagte, das neue System habe sich deutlich verbessert. Dort, wo Kommunen und Arbeitsagentur in Arbeitsgemeinschaften (Argen) zusammenarbeiteten, beobachte man eine Bündelung von Energien. Genannt wurde das Beispiel Nürnberg, in dem sich vor allem für junge Arbeitslose ein großes Netzwerk gebildet hat. Arlt nannte es ein System der "fürsorglichen Belagerung" mit Angeboten, Qualifizierungs- und Eingliederungshilfen. Bei den unter 25-Jährigen hat die BA das meiste Geld für Eingliederungshilfen konzentriert, und hier liegt die so genannte "Aktivierungsquote", also die Vermittlung in Maßnahmen, bei 40 Prozent. Bei den Älteren sind es nur 22 Prozent.

Keine Bilanz von Hartz IV ohne eine neue Fehlentwicklung. Das im Januar beschlossene Korrekturgesetz, nach dem ALG-II-Jugendliche jetzt nur noch mit Genehmigung von zu Hause ausziehen und eine eigene Bedarfsgemeinschaft gründen dürfen, wirkt zwar. Doch Findige, so wurde berichtet, unterlaufen die Bestimmung, indem jetzt einfach die Eltern ausziehen. Wesentlich größer aber ist das Problem der so genannten Aufstocker, derzeit 1,2 Millionen. Rund 500 000 Menschen dieser Gruppe, die trotz Vollarbeitsplatz zu wenig verdienen, um klar zu kommen, beantragen Arbeitslosengeld II offenbar nur, um darüber die Miet- und Nebenkosten erstattet zu bekommen. Eigentlich wäre das Wohngeld dafür da, doch ist es niedriger. Wohngeld beziehen dagegen nur noch etwa 300 000 Menschen. Die Lösung sieht der Städttag in einer Anhebung des Wohngeldes, das zum größten Teil allerdings nicht wie bei Hartz IV die Gemeinden, sondern der Bund bezahlt. Anzinger als Vertreter des Bundes fand das naturgemäß keine gute Idee. Seine Lösung: Mindestlöhne.

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