Die Last der Vergangenheit

Straßen auf Kredit zu bauen - vor einigen Jahren galt das als ideales Mittel, bei leeren Kassen überhaupt noch Verkehrsprojekte umzusetzen. Inzwischen stecken Bund und Länder in der Schuldenfalle. Beispiel: A 60 zwischen Bitburg und Wittlich.

Trier. Seit fünf Jahren rollt der Verkehr über die A 60 von Wittlich bis Bitburg. Doch kaum ein Autofahrer, der die Strecke befährt, weiß, dass das 27 Kilometer lange Teilstück eigentlich noch gar nicht bezahlt ist. Seit Jahren stottert der Bund die Kosten für das 450-Millionen-Euro-Projekt ab, Jahr für Jahr mit rund 30 Millionen Euro. Als das Stück in den 90er-Jahren gebaut wurde, waren die öffentlichen Kassen leer, die Chancen, ein derartiges Mammut-Projekt, das als wichtiger Baustein der Anbindung der Region an Belgien und die Seehäfen Antwerpen und Rotterdam galt, zu realisieren, standen schlecht. Private Investoren sprangen ein. Sie schossen das Geld vor, das der Bund nicht hatte. "Sonst hätten wir das Teilstück nie bekommen", sagt Karl Diller, Staatssekretär im Finanzministerium. Der Hermeskeiler SPD-Bundestagsabgeordnete war damals an der Entscheidung beteiligt. Heute bezeichnet sie der 66-Jährige als "Sündenfall der Vergangenheit", eine Altlast der Kohl-Regierung. Denn die jährlich 30 Millionen Euro, die für die Tilgung aufgebracht werden müssen, fehlen für neue Verkehrsprojekte in der Region. Eine Tatsache, die Diller jedes Jahr aufs Neue ärgert bei der Vorlage des Bundeshaushaltes. "Wir haben keine Alternative gehabt", entschuldigt sich der Staatssekretär. Heute würde er anders entscheiden, sagt er. Der Bau des Autobahnteilstücks hat nämlich "nur" 304 Millionen Euro gekostet. Der Rest sind die Zinsen, die zu Buche schlagen. Daher wird die A 60 den Bundeshaushalt noch einige Jahre belasten. Keiner Wunder, dass das Modell der privaten Vorfinanzierung auch bereits den Bundesrechnungshof beschäftigt hat. Die Rechnungsprüfer halten das Instrument für ineffizient wegen der Zinslast. Doch ganz ohne Privatinvestoren geht es nicht. In Berlin werden derzeit Vorschläge erarbeitet, wie sogenannte Public-Private-Partnership-Projekte, also Kooperationen zwischen privaten Unternehmen und der öffentlichen Hand, vorangebracht werden können. Selbst der Bau und der Unterhalt von Schulen durch Privat-Investoren wird nicht mehr ausgeschlossen. Bislang spielen die öffentlich-privaten Partnerschaften hauptsächlich auf kommunaler Ebene eine Rolle. Doch ganz unproblematisch ist das Modell auch nicht. Lässt man Bauprojekte von privaten Unternehmen nicht nur finanzieren und planen, sondern sie später auch betreiben, könnte das zu hohen Nutzungskosten führen. Als Beispiel nennt Diller Maut für privat finanzierte Straßen, etwa für den umstrittenen Hochmoselübergang, der von privaten Investoren gebaut und betrieben wird. Die Investoren wollen schließlich Geld verdienen. Diller schließt daher nicht aus, dass die öffentliche Hand eine Anschub-Finanzierung geben muss, damit die Straßenbenutzungsgebühr nachher nicht so hoch ist, "das keiner mehr über die Brücke fährt".

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