Die Leichen im Keller

Nach Einschätzung des Mainzer Finanzwissenschaftlers und früheren Wirtschaftsweisen, Rolf Peffekoven, heizt das mangelnde gegenseitige Vertrauen der Banken die internationale Finanzkrise weiter an.

Berlin. (vet) "Niemand weiß, wer welche Verbindlichkeiten hat", sagte Peffekoven im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter:

Herr Peffekoven, der Staat gibt eine Garantie für alle privaten Spareinlagen. Welche Sicherheit kann der Staat dafür bieten?

Peffekoven: Der Staat bietet die Sicherheit, dass er selbst nicht pleite gehen kann, denn er verfügt über das Besteuerungsrecht. Wenn es schlecht läuft, kann der Staat die Steuern anheben und sich auf diese Weise refinanzieren. Der Staat kann das auch über Kredite tun. Aber letztlich geht das immer zu Lasten der Bürger.

Das heißt, die Staatsgarantie bezahlen im Zweifel die Sparer selbst?

Peffekoven: Der Staat hat keine Rücklagen in Höhe der privaten Spareinlagen. Vielmehr ist er selbst massiv verschuldet. Belastet würde eine breitere Schicht, praktisch die gesamte Bevölkerung.

Bei vielen Leuten weckt der Bankencrash schlimme Erinnerungen an die Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre. Eine vergleichbare Situation?

Peffekoven: Das ist nicht miteinander vergleichbar. Allerdings droht auch heute, dass die Probleme auf den Finanzmärkten auf die reale Wirtschaft übergreifen. Nicht nur die USA laufen in eine Rezession hinein, sondern möglicherweise auch die anderen Industrieländer.

Für Real Estate musste in kürzester Zeit ein zweites Rettungspaket geschnürt werden. Haben die Bankmanager die Übersicht verloren?

Peffekoven: Dieser Eindruck drängt sich zweifellos auf. Grundsätzlich besteht das Problem ja darin, dass niemand weiß, wer welche Verbindlichkeiten hat. Das ist der Grund dafür, dass sich die Banken untereinander nicht mehr vertrauen und sich gegenseitig keine Kredite mehr gewähren. Keiner weiß, wer welche Leichen noch im Keller hat.

Ist Real Estsate nur der Vorbote für einen großen Bankencrash in Deutschland?

Peffekoven: Real Estate ist ein Sonderfall, weil hier gegen einen Grundsatz der Kreditgewährung verstoßen wurde. Der besagt, dass man langfristig ausgeliehenes Geld, in diesem Fall Mittel für Investitionskredite, auch langfristig refinanzieren sollte. Dagegen hat eine Tochter der Real Estate, die deutsche Pfandbriefbank, verstoßen. Sie hat langfristige Ausleihungen kurzfristig refinanziert. Das musste schiefgehen, weil sich die Banken untereinander kaum noch Geld borgen, die Anschlussfinanzierungen also nicht mehr klappten.

Was passiert, falls Real Estate zusammenbricht?

Peffekoven: Diese Bank ist einer der größten Anbieter im Bereich der Pfandbriefkredite. Dabei handelt es sich um Kredite zur Finanzierung langfristiger Investitionen besonders im kommunalen Bereich. Würde die Real Estate Pleite gehen, wären viele andere Banken, die die Papiere erworben haben, mit im Strudel. Das betrifft auch Institute, deren Geschäftsfeld die private Altersvorsorge einschließt. Kurzum, die Folgen wären verheerend.

Brauchen wir eine staatliche Lösung für die gesamte Bankenbrache in Deutschland?

Peffekoven: Die werden wir unweigerlich bekommen, wenn weitere Banken in Schieflage geraten. Wir können nur hoffen, dass dieser Fall nicht eintritt. Denn je mehr der Staat interveniert, desto mehr werden die Banken in ihrer Auffassung bestätigt, dass sie eigentlich machen können, was sie wollen. Im Augenblick gibt es nur die Wahl zwischen zwei Übeln: Entweder der Staat springt bei oder er riskiert tief greifende Folgen durch den Zusammenbruch weiterer Banken.

zur person

Rolf Peffekoven (70, Foto: dpa) ist ein gefragter Finanzwissenschaftler. Er war von 1991 bis 2001 Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

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