Die Linken wittern Morgenluft

Neue Marschrouten für die kommenden Landtagswahlen: In einigen Bundesländern könnte die Linkspartei SPD-Kandidaten als Ministerpräsidenten mitwählen und so die Machtposition der Partei weiter stärken.

Berlin. Ein paar Stunden lang schien es so, als habe die Linke ihre Wahlkampfstrategie fundamental geändert. "Linkspartei zum Verzicht bereit", überschrieb die "Frankfurter Allgemeine" gestern einen Bericht, wonach die Linken bei den anstehenden Landtagswahlen nicht mehr darauf beharrten, einen eigenen Ministerpräsidenten zu stellen, sollten sie mehr Stimmen erhalten als die SPD. Doch das Dementi ließ nicht lange auf sich warten. Flugs meldete sich der Linkskandidat für den Regierungschef-Sessel in Thüringen, Bodo Ramelow, zu Wort: "Es gibt nichts zu verzichten".

Warnung vor dogmatischem Umgang



Klar sei, "die stärkere Partei schlägt die Person des Ministerpräsidenten vor", erklärte Ramelow. Welche Person er bei einem entsprechenden Wahlausgang im Blick hat, bleibt unklar. Fest steht, dass es SPD und Grüne in Thüringen ablehnen, mit der Linkspartei unter einem Regierungschef Ramelow zu koalieren. Nach den letzten Umfragen kämen die Linken bei der Landtagswahl am 30. August auf 24 Prozent, die SPD auf 20 und die Grünen auf sechs Prozent. Zusammen wäre das mehr, als Union und FDP auf die Waage bringen würden.

Der ehemalige Wahlkampfmanager und Vordenker der Linken, Andre Brie, warnte seine Partei vor einem dogmatischen Umgang mit dem Problem. Wer am Ende den Regierungschef stelle, hänge konkret vom Wahlergebnis und der Situation in dem jeweiligen Land ab, sagte Brie unserer Zeitung. In Thüringen seien die Linken ausdrücklich angetreten, um den Ministerpräsidenten zu stellen. In Brandenburg, wo am 27. September zeitgleich mit der Bundestagswahl ein neuer Landtag bestimmt wird, gebe es eine solche Festlegung nicht, obwohl auch dort die Chance bestehe, dass die Linke stärker als die SPD werden könne. Gleichwohl verfügten die Sozialdemokraten mit Matthias Platzeck über einen sehr populären Ministerpräsidenten, der bei aller Kritik auch von den Linken geschätzt werde, so Brie. Im Saarland, wo ebenfalls am 30. August gewählt wird, sehe die Linke ihr Hauptziel darin, die CDU-Alleinregierung abzulösen. Deshalb werde man dort auch einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten mitwählen, erklärte Brie.

In Saarbrücken haben die Linken zweifellos die besten Aussichten, zum ersten Mal in einem alten Bundesland mit am Kabinettstisch zu sitzen. Das liegt auch an einem taktischen Schwenk von Oskar Lafontaine. Der Linksparteichef und Spitzenkandidat der Saar-Linken hatte noch Ende 2008 eine Wahl des SPD-Landesvorsitzenden Heiko Maas zum Regierungschef abgelehnt, weil sich Maas zuvor gegen eine Wahl Lafontaines ausgesprochen hatte. Maas ist bei seinem Standpunkt bis heute geblieben. Doch mittlerweile antwortet Lafontaine auf die Frage, ob die Linken Maas trotzdem zum Regierungschef küren würden: "Wenn die SPD stärker ist als wir, haben wir kein Problem damit".

Der Sinneswandel dürfte auch dem Umstand geschuldet sein, dass die Saar-Linken am 30. August wohl schlechter als die SPD abschneiden werden. Bis vor wenigen Monaten gab es noch gegenteilige Anzeichen.

Gegenwärtig regieren die Linken nur im Land Berlin in einer rot-roten Koalition mit. Im Osten sind sie in allen Landtagen vertreten. Im Westen verfügen die Linken über Landtagsfraktionen in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Hessen.

Partei rechnet sich Chancen im Westen aus



Auch bei den vorgezogenen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, die ebenfalls parallel zur Bundestagswahl stattfinden, rechnen sich die Linken Chancen aus, erstmals ins Landesparlament einzuziehen. Und auch in Thüringen könnte es in Sachen Regierungsbeteiligung noch spannend werden. Linkskandidat Ramelow betont immer wieder, dass CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus abgewählt gehöre. Das ginge aber nur mit einer Ampel-Regierung, in der die Linken aller Voraussicht nach stärkste Partei wären - und den SPD-Kandidaten Christoph Matschie zum Regierungschef wählen müssten. Aus Sicht der Linken hätte es sicher Charme, einen Sozialdemokraten von ihren Gnaden an der Macht zu halten.

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