Die Marke Julia Klöckner

Lahnstein · Es geht um das Wahlprogramm der rheinland-pfälzischen CDU. Doch im Mittelpunkt des Parteitags in Lahnstein steht die Parteichefin: Julia Klöckner. Sie ist zur Marke geworden, zur Marke JK.

Lahnstein. Julia Klöckner geht mit ihrem Hund spazieren, Julia Klöckner fährt Traktor, Julia Klöckner schneidet die Reben, Julia Klöckner feuert den heimischen Holzofen an. Schnitt.Landtagswahl 2016

Julia Klöckner tauscht die schweren, halbhohen Schuhe gegen feine Pumps, die legeren Klamotten gegen Kostüm und Rock, spricht mit Polizisten, Arbeitern. Julia Klöckner, die 43-jährige Winzerstochter aus dem Nahe-Weinort Guldental, ist eine von uns, soll der Wahlspot zeigen, der zu Beginn des vierstündigen Parteitags den rund 100 Delegierten im abgelegenen Wyndham Garden Hotel auf den Höhen von Lahnstein präsentiert wird. Und: Klöckner kann auch Ministerpräsidentin. Das ist die Botschaft.

Nun steht sie vor ihnen, heruntergehüpft vom Podium. Im blauen, eng geschnittenen Kleid, das orangefarbene CDU-Mikrofon in der Hand, am durchsichtigen Rednerpult unmittelbar vor den Delegierten. Julia Klöckner, glasklar im Mittelpunkt.

Es soll kein Jubelparteitag werden, sagt sie, es komme nicht auf schöne Bilder an. Doch klar ist: Julia Klöckner präsentiert sich als Marke. Als Marke JK. Die Initialen JK verzieren zusätzlich auch das O im Schriftzug Voranbringen, dem Motto, das auf dem orangefarbenen Transparent hinter dem Podium prangt. Und JK hat die CDU vorangebracht. Sie aus dem Keller geholt, wo die Partei vor sich hin kümmerte, ehe Klöckner 2010 Parteichefin wurde und ein Jahr später zum ersten Mal als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl antrat. Vor fünf Jahren hat sie es nicht in die Mainzer Staatskanzlei geschafft. Dieses Mal soll es gelingen. Sie sei bereit, ruft sie in den Saal und geht dabei auf die Delegierten zu.

In der Tat scheinen die Regierungssessel, auf denen es sich Rot-Grün bequem gemacht habe, wie JK spöttelt, für die Klöckner-Truppe in Reichweite. Auf 38 Prozent bringt es die CDU laut jüngsten Umfragen. Die SPD liegt bei 31, die Grünen kommen auf sieben Prozent. Auch wenn Klöckner gleich zu Beginn ihrer 70-minütigen Rede klarmacht, dass sie sich (noch) nicht auf einen Koalitionspartner festlegen will, und immer wieder Giftpfeile in Richtung SPD und Grüne schießt. Da darf die neuerliche Kritik an der Wankelmütigkeit der Sozialdemokraten vor der Teilnahme an der Elefantenrunde im SWR-Fernsehen nicht fehlen. "Ich nehme daran teil", sagt Klöckner. Und verspricht den Delegierten, sie werde sich für eine Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einsetzen.

Liest man das Parteiprogramm, das weitgehend aus altbekannten Forderungen besteht, so finden sich in dem ein oder anderen Punkt durchaus Hintertürchen für Koalitionen. Etwa mit der SPD (Festhalten an den von der CDU zunächst verteufelten Gesamtschulen und Realschulen plus, flexible Ganztagsschulen, Weiterentwicklung des Flughafens Hahn). Oder mit den Grünen (Ausbau der Windkraft, Unterstützung für Unternehmen, die ihren eigenen Strom produzieren). Oder mit der FDP (Abbau von Bürokratie und Vorschriften, unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik). Schwertun dürfte sich ein eventueller roter oder grüner Koalitionspartner mit dem Familiengeld, das die CDU einführen will. Damit sollen sich Familien die Kinderbetreuung einkaufen, die ihnen passt: ob in der Kita, von Tagesmüttern oder durch die Großeltern. SPD und Grüne sehen darin eine verkappte Herdprämie, die vor allem Frauen dazu veranlassen soll, zu Hause zu bleiben, statt arbeiten zu gehen.Noch allerhand Gesprächsbedarf

Während diese Punkte bei den Delegierten unumstritten sind, besteht bei über 80 weiteren großer Gesprächsbedarf. Eineinhalb Stunden lang wird über Änderungen und Ergänzungen des Programms diskutiert. So finden sich danach im Programm auch Forderungen der regionalen CDU-Politiker wieder - etwa nach einer Abschaltung der Atomkraftwerke in Cattenom und Tihange .

Klöckner präsentiert sich als selbstbewusste Parteichefin, die die Mitglieder mitreißen kann. Sie tritt aber keinesfalls als selbstzufriedene Spitzenkandidatin auf, für die die Wahl schon entschieden ist. Es seien noch knapp sechs Wochen bis zum 13. März: Bis dahin müssten die Wähler noch überzeugt werden. Damit es am Ende nicht doch noch für fünf oder gar zehn weitere Jahre Rot-Grün im Land reiche. "Wir dürfen nicht jammern, wenn wir nicht gekämpft haben bis zum Schluss." Dieser Kampf muss nach Ansicht des rheinland-pfälzischen CDU-Generalsekretärs Patrick Schnieder auch sichtbar sein. Er wolle am Tag nach der Wahl kein Parteimitglied sehen, dessen Schuhsohlen nicht durchgelaufen seien. Und Parteivize Christian Baldauf warnt die Nörgler in den eigenen Reihen vor "Fouls". Er meint damit die anhaltende Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Hinter deren Politik stellt sich Klöckner erneut demonstrativ - und verteidigt ihren Flüchtlingsplan mit dem Namen A 2, den sie nicht als Gegenentwurf zur Merkel'schen Willkommenskultur sieht, sondern als Ergänzung, als Hilfereichung für eine europäische Lösung. Klöckner macht noch einmal deutlich, dass sie für Grenzkontrollen ist, aber nicht für Grenzschließung. Sie geht in ihrer Rede fast gar nicht auf die AfD ein, kritisiert aber diejenigen, die Angst vor einer Islamisierung bekunden und zugleich bei Demonstrationen Galgen hoch halten. So verteidige man nicht die Werte des christlichen Abendlandes, ruft Klöckner.

Vier Minuten Applaus von den Delegierten im Saal, die sich von ihren Plätzen erhoben haben, gibt es am Ende für die Spitzenkandidatin. Die dann vom Podium aus dem Beifall Einhalt gebietet. Es soll ja keine Jubelshow werden für JK.Meinung

Klöckner in der Klemme212 Punkte, 93 Seiten. Diesen Umfang hat das Wahlprogramm der rheinland-pfälzischen CDU. Es ist viel geschriebener Text, es enthält aber wenig inhaltlich Neues. Und: Es fehlt der Wow-Effekt. Das Programm ist, wie ein Wahlprogramm zu sein hat: viele Versprechungen, viel "Wir machen alles besser", aber nichts, was wirklich mitreißt. Zumal die Wähler ohnehin wissen, dass das, was vor der Wahl versprochen wird, in den wenigsten Fällen danach noch Bestand hat. Doch das eigentliche Programm der CDU ist Klöckner. Sie sieht sich schon in der Mainzer Staatskanzlei. So wie schon vor fünf Jahren. Da lag die Klöckner-Truppe zwei Wochen vor der Wahl auch vor den Sozialdemokraten. Dann kam Fukushima. Die Atomkatastrophe hat alles durcheinandergewirbelt - und die CDU um ihren Sieg gebracht. Eine schmerzliche Erfahrung, die Klöckner heute noch in den Knochen steckt.

Dieses Mal ist es die Flüchtlingskrise, die die Wahl entscheiden wird. Seit Wochen versucht sich Klöckner irgendwo zwischen der Merkel'schen Willkommenskultur und der Law-and-Order-Politik eines Horst Seehofer zu positionieren. Eine Gratwanderung, wie nicht zuletzt ihr Plan A 2 zeigt, für den sie überwiegend Applaus von den Merkel-Kritikern bekommen hat. Klöckner ist in der Klemme. Als bisherige Merkel-Vertraute und deren Stellvertreterin im CDU-Bundesvorstand muss sie nun die Wahl in Rheinland-Pfalz gewinnen. Das kann sie aber nicht mit einem durchschnittlichen Wahlprogramm, sondern nur mit einer Positionierung gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, um die Kritiker in den eigenen Reihen zu besänftigen und am Abwandern zur AfD zu hindern. b.wientjes@volksfreund.deExtra

Jens Guth, Generalsekretär der SPD Rheinland-Pfalz: "Die Klöckner-CDU redet von frischem Schwung und neuer Kraft. In Wahrheit aber ist sie mit ihrem Programm auf dem Weg in die Vergangenheit, wie ihre Familienpolitik zeigt. Die Konservativen haben viel heiße Luft beschlossen, aber nichts, was unser Land wirklich voranbringt." Eveline Lemke, Spitzenkandidatin der Grünen Rheinland-Pfalz: "Grenzkontrollen, wie sie Frau Klöckner möchte, schaden unserer Wirtschaft. Das ist Fakt und das sagen auch die Wirtschaftsverbände." wie

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