Die Mitte im Visier

Gut zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl hat FDP-Chef Guido Westerwelle seine Strategie fertig. Entscheidend sei, die bürgerliche Mitte zu mobilisieren, sagte Westerwelle gestern am Rande des Stuttgarter FDP-Parteitages.

Stuttgart. (ko) Schon am Freitag hat FDP-Chef Guido Westerwelle eindringlich vor einem Linksruck und der Gefahr einer rot-rot-grünen Regierung gewarnt. "Vielleicht nicht mit Herrn Beck, aber Herr Wowereit steht dafür bereit". Es gebe in Deutschland "tektonische Verschiebungen" in Richtung mehr Staat und weniger Freiheit, stellte der 46jährige fest.Am Samstag unterbrach Generalsekretär Niebel den Parteitag und verkündete mit ernster Miene, soeben sei in Berlin eine "neue sozialistische Einheitspartei" gegründet worden, die Linkspartei. Er erinnerte an Mauer, Stacheldraht und Bautzen. Die FDP werde die "Fackel der Freiheit" hochhalten, rief Niebel aus. In dem Moment ersetzte die Regie den Parteitagsslogan "Mehr Freiheit, mehr Chancen" durch den Satz "Freiheit statt Sozialismus". Damit hatte 1976 Helmut Kohl Wahlkampf gemacht - gegen eine SPD/FDP-Regierung. Am Sonntag erinnerte Westerwelle an die Opfer des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 und verwies erneut auf die sozialistische Gefahr. Nur wenige Delegierte äußerten daran Kritik.

Westerwelle erklärt sich das Scheitern einer schwarz-gelben Regierung bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005 mit mangelnder Mobilisierung der bürgerlichen Wähler. Offiziell spricht der FDP-Chef zwar nicht über die Koalitionsfrage, setzt aber immer offener auf eine Zusammenarbeit mit der Union. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber nannte die FDP und ihren Vorsitzenden den "Wunschpartner" der Union. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla meinte in seinem Glückwunschschreiben zur Wiederwahl Westerwelles, FDP und CDU eine die Überzeugung, "dass unser Land durch die bürgerlichen Kräfte der Mitte weiter nach vorn gebracht werden muss". In Stuttgart gaben sich die Liberalen geschlossen wie selten. Die Führungsspitze wurde ohne Gegenkandidaturen im Amt bestätigt. Ein Leitantrag zur Sozialpolitik wurde mit großer Mehrheit verabschiedet. Er sieht die Einführung eines flexiblen Renteneinstiegs ab 60 Jahren vor, mit entsprechenden Rentenabschlägen. Jedoch sollen die Rentner unbegrenzt Geld hinzuverdienen können. Die Pflegeversicherung soll komplett in ein Kapital gedecktes System überführt werden, also in eine private Versicherung. Alle Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II, Wohngeld oder Bafög sollen in einem "Bürgergeld" zusammengefasst werden. Die von etlichen Delegierten geforderte Abschaffung der Erbschaftssteuer wurde nicht beschlossen. Sie soll Ländersache werden.

Heftigere Debatten gab es nur um die Kinderbetreuung. Die FDP sprach sich für ein Gutscheinsystem aus. Alle Eltern sollen demnach einen "Betreuungsgutschein" erhalten, den sie für einen Krippenplatz einlösen können. Dirk Niebel forderte, dass jene Eltern, die zu Hause bleiben, den Gutschein auch in bar einlösen können. Eine große Mehrheit lehnte dies jedoch ab.

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