Die SPD-Spitze will Brücken bauen

Der Streit in der SPD über den drohenden Parteiausschluss ihres ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement kann sich wegen der zeitlichen Fristen für das laufende Schiedsverfahren bis in den Herbst hineinziehen. Nach einer Telefon-Schaltkonferenz einigte sich der Bundesvorstand gestern darauf, dem Schiedsverfahren beizutreten.

Berlin. Die einstimmig gefasste Entscheidung solle "Brücken" zwischen Clement und seinen innenparteilichen Kritikern bauen, sagte Generalsekretär Hubertus Heil gestern in Berlin. Der Ausgang des Verfahrens ist völlig offen. Für einen Schiedsspruch führt die Parteispitze drei Kriterien ins Feld: Meinungsfreiheit, politische Lebensleistung und innerparteiliche Solidarität.

Gegen letztere hat Clement auf jeden Fall verstoßen. Eine unkonditionierte Rüge dürfte deshalb kaum ausreichen, um die Kritiker zu besänftigen. Das deutete auch Heil mit der Bemerkung an, es müsse eine "gewisse Sicherheit geben, dass Äußerungen, die eigene Partei nicht zu wählen, nicht wieder passieren".

Einen Vorschlag zur Güte hatten am Wochenende fünf der sieben klagenden Parteigliederungen gemacht: Wenn Clement erkläre, solche Bemerkungen künftig zu unterlassen, wäre eine Rüge der Bundessschiedskommission ausreichend. Doch der Adressat gibt sich unbeirrt: Er lasse sich nicht darauf festlegen, "wann, wie und wo ich zukünftig meine Meinung äußern werde", konterte Clement. Bei SPD-Promis stieß die kompromisslose Haltung des Ex-Ministers gestern auf Unverständnis. SPD-Vorstandsmitglied Wolfgang Thierse mahnte Clement zur "selbstkritischen Bescheidenheit". Er solle eingestehen, einen "Fehler" gemacht zu haben.

Ausgangspunkt des Konflikts waren öffentliche Empfehlungen Clements, der hessischen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti bei den Landtagswahlen Ende Januar wegen ihrer Energiepolitik die Stimme zu verweigern. Daraufhin strengten mehrere Parteiverbände, darunter auch Ypsilantis SPD-Unterbezirk Frankfurt, ein Ordnungsverfahren an.

Einigen ist der Spruch zu milde



Die Schiedskommission des Unterbezirkes Bochum, in dem Clement beheimatet ist, verwarf jedoch die Maximalforderung nach einem Ausschluss wegen Parteischädigung, und erteilte Clement zunächst eine Rüge. Gegen dieses Urteil legte Clement Berufung ein, weil es ihm viel zu weit ging. Gleiches taten auch einige Parteigliederungen. Nur aus gegenteiligem Motiv - ihnen war der Spruch zu milde. In der Vorwoche kam die Landesschiedskommission der nordrhein-westfälischen SPD nun zu dem Schluss, Clement müsse die Partei verlassen. Seitdem kocht auch wieder der innerparteiliche Konflikt zwischen Reformern und Linken hoch, denn Clement gilt als vehementer Verteidiger der umstrittenen Agenda 2010.

"Die Äußerungen der letzten Tage haben uns nicht geholfen", räumte Heil dann auch zerknirscht ein. Jetzt müssten wieder "Besonnenheit und Verantwortung" dominieren. Für ein rasches Ende des SPD-Sommertheaters sind der Parteiführung jedoch weitgehend die Hände gebunden, seit klar ist, dass Clement vor der Bundesschiedskommission in Berufung gehen will. Zunächst einmal hat er laut Schiedsordnung noch knapp zwei Wochen Zeit, das Begehren anzumelden. Anschließend folgt eine Frist von vier Wochen, in der Clement seine Berufung schriftlich begründen muss. Erst danach tritt die Schiedskommission in Aktion. "Da kann es durchaus Herbst werden", meinte Heil. Gleich mehrfach suchte er den Eindruck eines politischen Richtungskampfs zu zerstreuen. Es gehe nicht um politische Überzeugungen oder Meinungen, "sondern um Verhalten in einer Wahlkampfsituation und um das Gebot innerparteilicher Solidarität", sagte Heil.

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