Die SPD im Kampf mit Lord Voldemort

Oskar Lafontaine war nach seinem Abgang als Parteichef im März 1999 sechs Jahre lang so etwas wie der Lord Voldemort der SPD. Das ist bei Harry Potter "der, dessen Name nicht genannt werden darf".

Berlin. Alle Parteigrößen, Gerhard Schröder voran, vermieden es peinlichst, den Saarländer auch nur zu erwähnen. Man wollte keine Emotionen zeigen, zudem galt er als erledigt. Das hat sich gründlich geändert, seit der Ex-Chef Vorsitzender der Linken geworden ist und der SPD Wähler abzujagen droht. Nach kurzer Schockstarre hat jetzt eine sehr persönlich geführte Attacke begonnen. "Urenkel Walter Ulbrichts" nannte ihn Fraktionschef Peter Struck, "Helfershelfer der Taliban" keilte Umweltminister Sigmar Gabriel, und Parteichef Kurt Beck sprach von "Verlogenheit". In Hintergrundgesprächen schießen sich die Genossen auch auf Lafontaines Frau Christa Müller ein, die derzeit als eine Art Eva Herman der Linken gegen die "Fremdbetreuung" von Kindern in Kitas zu Felde zieht.Ex-Regierungsmitglieder aus dem Saarland schildern zudem ebenso bereitwillig wie anonym, dass Lafontaine sich als Ministerpräsident herablassend über die Gewerkschaften, den öffentlichen Dienst im Allgemeinen und die Lehrer im Besonderen geäußert habe. Das Ziel ist klar: Beim altlinken Wählerpotenzial in und außerhalb der SPD soll der 63-jährige Volkstribun von der Saar madig gemacht werden. Im Internet lässt die SPD neuerdings eine Zusammenstellung von Zitaten kursieren, die frühere Aussagen Lafontaines seinen heutigen Positionen gegenüberstellt. "Oskars Welt" heißt das Werk. Untertitel: "Die doppelte Wirklichkeit des Oskar Lafontaine".

Politische Position komplett gewechselt

Lafontaine ist anfällig für solche Vergleiche, selbst wenn man bedenken muss, dass nahezu jeder Politiker seine Positionen mal ändert. Man denke nur an Schröders Wort vom "Gedöns" für die Familienpolitik, das ihn nicht hinderte, dieses Thema später ganz anders zu sehen. Lafontaine aber hat sich besonders exponiert. "Die gesetzlichen Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden", sagte er 1993. Heute polemisiert er gegen diese Politik. Nur die Bedürftigen sollten Nutznießer des Sozialstaates sein, meinte der damalige SPD-Chef 1998 im "Spiegel"-Interview. Heute ist für ihn Hartz IV "Armut per Gesetz". Und besonders hübsch finden die Autoren des SPD-Papiers frühere Aussagen des Links-Chefs zur PDS. Deren "außenpolitische Zuverlässigkeit" zog Lafontaine im "Spiegel"-Interview ebenfalls in Zweifel, "denken Sie nur an die PDS-Gegnerschaft zur Nato-Osterweiterung". 1995 rief er das Ziel aus, "die Wählerinnen und Wähler der PDS für die Sozialdemokratie zu gewinnen". Das entlockt den SPD-Autoren ein "Richtig, Oskar". Garniert ist das Papier mit lobenden Zitaten von NPD-Politikern für Lafontaine, die die SPD-These untermauern sollen, dass die Linke letztlich den Rechten hilft.

Ganz traut man in der SPD-Zentrale dieser Art der persönlichen Konfrontation aber offenbar auch nicht. Die Verantwortung für das Dossier wird vehement bestritten, es stamme von "einigen Sozialdemokraten", heißt es. Die SPD wolle sich vielmehr mit den Inhalten der Linken auseinandersetzen, wird betont. Dazu ist derzeit ein Papier in Arbeit, das aufzeigen soll, wie die Forderungen der Linken Deutschland wirtschafts- und außenpolitisch ins Abseits führen würden. Der politische Harry Potter ist also noch lange nicht zu Ende geschrieben.

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